Hell's Kitchen
Streifenwagens rutschte. »Du weißt ja: jederzeit. Sag’s einfach.«
»Vielleicht morgen abend«, erwiderte ich.
»Sag’s nicht, wenn du’s nicht auch meinst.«
Der Streifenwagen fuhr an, und ich schaute ihm nach, bis er auf die Forty-second einbog. Und ich dachte an Mona Morgan, wie sie in ihrem Wohnzimmer saß, und ich stellte mir vor, wie ich dort bei ihr saß. Und ich meinte es wirklich ernst, mich mit ihr treffen zu wollen.
Und bis dahin war da nur noch die unbedeutende Sache mit Howie Griffiths’ nacktem Kadaver, der sich in meiner Wohnung ausruhte.
Bevor ich nach Hause zurückkehrte, ging ich in einen Supermarkt. Ich brauchte Rindfleisch, geschälte Tomaten und ein paar Zwiebeln, um ein Chili zu machen. Die benötigten Gewürze hatte ich bereits, auch jede Menge Champignons sowie eine Büchse schwarze Oliven. Wenn es eins gab, das den Geruch eines frischen Mordes aus der Wohnung vertreiben konnte, dann war es ein Chili.
Als ich nach Hause kam, setzte mich ein dort postierter, uniformierter Beamter von der Tatsache in Kenntnis, daß Aiello dort gewesen und inzwischen wieder fort war. »Detective Aiello läßt Ihnen ausrichten«, sagte der Uniformierte, »daß er diesen Fall an die Kripo des zuständigen Reviers abgeben wird. Er sagt, Zitat Anfang, >Keiner hatte es auf Howies fetten Arsch abgesehen <, Zitat Ende, deshalb wär’s auch nicht sein Job.«
Ferner sagte mir der Officer, alle Hausbewohner seien vernommen, meine Wohnung sei nach Fingerabdrücken abgesucht - wozu auch immer das gut sein sollte -, Howie ins Leichenschauhaus zur Autopsie am kommenden Montag gebracht worden, was nur das bestätigen würde, was ihm ganz offensichtlich widerfahren war, und jemand hätte vermutlich auch Howies Angehörige verständigt.
Der Officer ging. Meine Wohnung gehörte wieder mir allein.
Ich holte meinen gußeisernen Chili-Topf runter und rieb ihn mit Salz und Olivenöl aus. Dann baute ich mein Hackbrett auf, packte Fleisch und Gemüse aus, öffnete die Büchse Tomaten und kippte den Inhalt in den Topf, um alles zu einem dickflüssigen Brei einkochen zu lassen.
Draußen regnete es. Ich rührte die Tomaten mit einem Holzlöffel, schüttete mir dann einen schönen großen Scotch ein und trat ans Fenster. Von Zeit zu Zeit hörte ich ein Auto vorbeirauschen, das durch ein Schlagloch voll grauem Schnee fuhr. Dampf stieg von Rosten in den Straßen auf wie Geysire aus der Unterwelt. Die Spitze des Empire State Building, die ich so gerade eben noch sehen konnte, wenn ich mich an einem Ende des Fensters auf die Zehenspitzen stellte, war für die Feiertage in diffuses Rot und Grün getaucht. Unten suchten ein paar tapfere Nutten Freier auf dem Straßenstrich. Und ich meinte Heidi zu sehen, die auf ihren verfaulenden Beinen vorbeiging.
Ich trank den ersten von vielen Drinks an diesem Abend und erinnerte mich an die merkwürdige Bemerkung des Holy Redeemer über die Aufrichtigkeit des Todes. Es war nicht das Übliche, was ich über die Wahrheit hörte.
Viele Menschen auf der Welt, vielleicht sogar die meisten, besitzen einen unnatürlichen Respekt vor der Wahrheit. Viele möchten uns glauben machen, daß die allmächtige Wahrheit den einzig möglichen Weg repräsentiert, die Komplexität zu entwirren, daß sie das Licht und der Weg ist, eine Geschichte klar zu halten. Zeitungsredakteure, Anwälte, Geistliche, frischgewählte Politiker und gewisse andere, mir bekannte Ignoranten lieben eine solch hausbackene Vorstellung von ganzem Herzen. Sie möchten die Wahrheit ganz weit oben zusammen mit der Moral eingeordnet wissen, obwohl es absolut möglich ist, daß etliche dieser Typen ein moralisches Problem nicht erkennen würden, sollten sie im Bett neben einem aufwachen.
Zu den wertvollsten Dingen, die ich gelernt habe, seit ich Cop wurde, gehört, daß es nichts Aufschlußreicheres über den Grund gibt, warum jemand einem anderen etwas an tut, als ein großes, fettes Bündel Lügen. Lügen sind strategisch wichtige Wegweiser in jedem Kampf auf Leben und Tod; sie sind so etwas wie die roten Heftzwecken auf einer Karte der Kriegsschauplätze, die wir an unserer Wohnzimmerwand hängen hatten, als ich noch ein kleiner Junge war, und jeder auf der ganzen Welt für das Gute oder Böse kämpfte und beide Seiten jeden Tag im Namen ihrer speziellen Ausgabe der Wahrheit kaltlächelnd logen.
Und einmal schrieb mein Vater, von wo auch immer er in diesem Krieg war: »Die Welt ist verrückt geworden, und eine moralische Wahrheit
Weitere Kostenlose Bücher