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Hell's Kitchen

Hell's Kitchen

Titel: Hell's Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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hat ohne riesige Armeen auch nicht die geringste Chance gegen den Teufel; und Gottes eigene herrliche Armee hat nicht die geringste Chance ohne Spione und Verrat und Geheimcodes und Heimtücke und Propaganda und die verschlungensten Komplotte und alle Arten von Täuschung und Grausamkeit, die nötig sind, um die menschliche Zivilisation zu bewahren...«
    Da, vermute ich, habe ich zum ersten Mal gelernt, daß das Studium von Lügen ein praktisches, nützliches Wissen über das menschliche Sein bedeutete. Damals habe ich gelernt, daß Lügen wichtige Motivationen besitzen.
    Die Wahrheit andererseits ist etwas, das schlicht und einfach passiert. Wie der Klavierdraht um Buddy-Os Hals, wie der Eispickel, der in Howie Griffiths’ Bauch und Brust versenkt worden war. Diese zwei Wahrheiten sah ich glasklar, und doch wußte ich nichts, was über die Ereignisse selbst hinausging. Die schlichte Wahrheit ist in der Tat schlicht und alles andere als umfassend. Etwas ist passiert. Na und, und was jetzt?
    Wenn es wirklich so etwas wie Wahrheit auf dieser Welt gab, wie es sich so viele Lügner so scheinheilig und so öffentlich wünschen, dann würde es keinen Platz geben für die spitzfindige Präzision von Nuancen, keine Notwendigkeit für Glauben oder Optimismus, keinen Maßstab für Schönheit und Klarheit, keinen Balsam der mildernden Umstände, keinen Aspekt der Würde, keinen Platz für Gerechtigkeit.
    Falls die Wahrheit sich durchsetzte, wäre ich arbeitslos.
    So viele Male, wenn ich über die unruhigen Widersprüche des Lebens nachdenke, was ich häufig mache, wenn ich an einem Fall arbeite, und sehr oft, wenn ich ein oder zwei Gläser getrunken habe, frage ich mich, ob meine Gedanken wirklich meine ureigensten Gedanken sind. Ich frage mich, ob der Geist meines Vaters, der nie von seinem Krieg nach Hause zurückkehrte, mir vielleicht Dinge zuflüstert.

    Ich nahm mein Glas und meine Flasche und setzte mich in meinen grünen Sessel neben das Telefon. Ich wählte Sam Waterman jun.’s Nummer und erreichte wieder nur den Anrufbeantworter.
    Heute abend würde ich Chili essen und mir den Film im Fernsehen ansehen: The Petrified Forest, unter der Regie von Archie Mayo mit Leslie Howard, Bette Davis und Humphrey Bogart in den Hauptrollen.
    Morgen war der Tag des Herrn.

10

    »Leute da draußen vor mir...«
    Er unterbrach sich einen Augenblick, und vereinzelte Stimmen antworteten: »Genau... gut, ja.«
    »All ihr lieben Leute in den glänzenden Bänken, die uns der Herr im Himmel genau hier unten im kleinen, alten Harlem geschickt hat, zu unserer heiligen Verwendung und unserer irdischen Bequemlichkeit... halleluja!«
    Seine Stimme war tief und sanft, seine Diktion ausgefeilt und präzise. Er schwieg, um sich über die glänzende Stirn zu wischen. Weißes Leinen vor dem Hintergrund einer reinen, hellbraunen Haut von der Farbe feinen Karamels.
    Ein Meßdiener trat schnell und entschlossen an die Seite des Predigers. Es war ein Junge von vielleicht zehn Jahren. Er hielt ein kleines, rundes Silbertablett hoch, darauf ein silberner Kelch, überzogen mit silbernen Weinreben und Trauben aus Rubin und Granat. Der Prediger trank, und seine haselnußbraunen Augen tanzten. Wieder wischte er sich die Stirn ab und steckte das Tuch dann beiläufig in die Brusttasche seiner gutgeschnittenen schwarzen Mohair-Anzugjacke. Weiße Lichtstrahlen von dem Kronleuchter brachen sich in dem großen, kantig geschliffenen Diamantring, den er an der rechten Hand trug, und ließen die Steine funkeln.
    Gemeindemitglieder begannen sich auf ihren Plätzen zu wiegen, von links nach rechts. Vielleicht tausend Menschen, die meisten von ihnen schwarz, bewegten sich in einem sanften Rhythmus, während sie auf den roten Plüschsesseln einer Kirche saßen, die früher einmal ein Filmpalast aus Marmor und Kalkstein gewesen war.
    Vereinzelte Stimmen begannen einen kehligen Chor. »Amen... Amen... Amen , Father Love.« Und dann beugte der Prediger sich vor, drückte die Lippen beinahe gegen das Mikrophon, das an der Kanzel aus Wurzeleiche vor ihm befestigt war.
    »Und ihr Leute da draußen irgendwo in der dunklen Leere außerhalb meiner Sichtweite...«
    Seine Stimme wurde jetzt mit dem Hauch zusätzlichen Atems - verstärkt durch das Mikrophon - noch intimer.
    »Irgendwo dort draußen in dieser großen und schrecklichen und verführerischen Stadt, die wie ein Bienenschwarm auf diesem Felsen hockt, der das Wasser in die großen Flüsse teilt...«
    Er wartete auf

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