Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hell's Kitchen

Hell's Kitchen

Titel: Hell's Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
Vom Netzwerk:
Kanzel. »Halleluja!«
    Und seine ermunternden Rufe für den Sprechgesang und das Tanzen und das Weinen breiteten sich unter ihm aus, vom Altar die Gänge hinunter und über die roten Plüschsessel und die Rollstühle und durch die ganze Kirche bis zur Tür hinaus auf die St. Nicholas Avenue und in den frostigen Wind, kamen wieder und wieder: »Halleluja!... Halleluja!... Halleluja!... Halleluja!«
    Und wieder flogen die Arme hoch. Und wieder verstummte die Menge nach mehreren Minuten fast zu absoluter Stille, um das Flüstern ihres Predigers zu hören:
    »Und jetzt ihr alle, die ihr meine Stimme und die Stimmen all derer hören könnt, die heute hergekommen sind, um hier vor mir zu sitzen mit dem Herrn... Falls ihr es noch nicht erraten habt...«
    Und der Organist griff in die Tasten.
    »Hier spricht Father Love zu euch. Ich werde euch jetzt die Wahrheit sagen, die volle, ungeschminkte reine Wahrheit und absolut nichts als Jesus’ Wahrheit... so wahr mir Gott helfe, und hilf mir richtig!«
    Und der Chor sprang auf. Und auch der kleine Mann mit dem kerzengeraden Rücken vor der Orgel. Sie stimmten das Lied an, von dem die Gemeinde nach Sonntag um Sonntag wußte, daß es als nächstes in der Dramaturgie der Show folgte:

    Something real good’s
    Going to happen to you...
    Happen to you,
    Happen to you!
    Something real good’s
    Going to happen to you...
    Jesus of Nazareth
    Is passing your way...

    Viermal an einem Tag wie diesem, in genau derselben frohlockenden Kirche, in der Father Love sprach und wo seine Anhänger ihm mit so vollkehliger Freude antworteten, waren die Morddrohungen gekommen. Und ich stand jetzt da inmitten all dieses Gesanges und nahm an, daß irgendwo in der Kirche, genau in diesem Augenblick, jemand nur darauf wartete, die fünfte Morddrohung auf den Kollekteteller zu legen.
    Ich schob eine Hand in meine Manteltasche und zog die vier Karten heraus, die es bislang gab, vier tödliche kleine, fünf mal acht Zentimeter große orangefarbene Karten. Ich starrte sie an, wie ich sie seit dem Frühstück angestarrt hatte...

    An diesem Morgen öffnete ich aus Gewohnheit den Schrank, in dem ich meine normale Arbeitskleidung aufbewahre, die Sachen, die ich im Goodwill oder bei der Heilsarmee kaufe oder auf der Straße finde. Doch da es Sonntag war und so, ging ich zu meinem anderen Schrank und suchte mir einen Blazer und eine Hose aus. Außerdem band ich eine Krawatte um, rasierte mich und benutzte ein Rasierwasser.
    Und was die Sabbat-Artillerie betraf, lud ich meine .32er Baretta Puma und schnallte sie an meinen linken Knöchel. Die .38er Special steckte ich an meinen Gürtel. Und nur für den Fall, daß ich auf jemanden einen großen Eindruck machen mußte, zog ich auch noch das Schulterhalfter über und lud die .44er Charter Arms Bulldog.
    Die Visitenkartendrohungen steckte ich zusammen mit meiner Dienstmarke in die Jackentasche. Anschließend setzte ich einen grauen Hut auf, zog einen dunkelblauen Mantel über, band einen kastanienbraunen Schal um und stopfte zum Schluß Handschuhe in die eine und NYPD-Handschellen in die andere Manteltasche. Dann machte ich mich auf den Weg zu Pete’s.
    Wanda, die Kellnerin, brachte mir Würstchen und Rühreier, die zu flüssig waren, daher wußte ich, daß Pete heute nicht selbst in der Küche stand. Als ich fertig war, hatte ich noch eine Stunde totzuschlagen, bevor ich die Linie 3 IRT-
    U-Bahn vom Times Square Uptown nach Harlem nehmen mußte. Also legte ich die Visitenkarten vor mich auf die Theke und studierte die Bibelzitate:

Da ist keiner, der gerecht sei, auch nicht einer.
Römer, 3:10
Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen ?
Jeremia, 17:9
Die Väter haben saure Trauben, gegessen, und den Kindern sind die Zähne stumpf geworden.
Jeremia, 31:2p
Wer einen Toren zeugt, muß sich grämen, und eines Toren Vater hat keine Freude.
Sprüche, 17:21

    Die Verse waren alle mit Bleistift geschrieben, ordentlich und sorgfältig und in gut leserlicher Handschrift. Unter jedem stand die immer gleiche Drohung: »STIRB, FATHER LOVE«, mit einem dicken Filzstift hingekritzelt. Ich starrte die Karten an, als würden sie zu mir sprechen, wenn ich sie nur lange genug ansah; als könnten sie mir laut und deutlich sagen, wer Buddy-O umgebracht hatte und wer Howie Griffiths umgebracht hatte und wer Father Love umbringen wollte.
    Ich vertauschte die Karten mehrmals, ordnete sie horizontal und dann vertikal und schließlich nebeneinander zu einem

Weitere Kostenlose Bücher