Hell's Kitchen
einen ordentlichen Scotch ein.
Dann rief ich Aiello an, um ihm mitzuteilen, wie sich die Dinge weiterentwickelt hatten.
Zwei uniformierte Beamte wurden losgeschickt, um den Tatort in meiner Wohnung für die Teams der Spurensicherung und Mordkommission zu sichern, die ebenfalls bald eintrudeln würden. Mary Rooney war wieder völlig aufgelöst, als ich ihr von dem Mord nur eine Etage höher erzählte. Sie hüpfte im Hausflur auf und ab, holte dann zwei Töpfe aus ihrer Küche, schlug sie zusammen und holte mit den Neuigkeiten alle aus ihren Wohnungen.
Zum ersten Mal, seit ich eingezogen war, lernte ich jetzt meine Nachbarn kennen. Niemand hatte an diesem Morgen etwas Verdächtiges gesehen oder gehört. Und niemand schien weiter traurig zu sein, daß Howie Griffiths nur noch eine Erinnerung war.
Babys schrien, Hunde bellten, Cops trampelten die Treppe auf und ab, wobei statisches Rauschen aus den Funkgeräten an ihren Hüften knisterte; die Sirene eines Krankenwagens drang von irgendwo die Straße hinunter zu uns herein, irgendwer brüllte, das sei jetzt doch genau der richtige Augenblick, mit einem Mietstreik anzufangen, der Fernseher in Mary Rooneys Wohnung lief, und ich hörte eine Ankündigung für die Donahue -Talkshow am kommenden Montag - »Rockstar heiratet schwulen Pornostar... Kann diese Ehe von Dauer sein?«
Und jetzt, da ich dringender als zuvor aufs Scheißhaus mußte, zog ich Mütze und Mantel an und ging hinaus in den Schnee. Ich dachte an den einzigen Ort, an dem ich eine reelle Chance hatte, alle drei Dinge zu bekommen, die ich in diesem Moment brauchte - Erleichterung meiner Blase, vielleicht ein wenig Verständnis und möglicherweise ein Schwätzchen mit einem alten Kauz namens Lionel.
Also ging ich um die Ecke der Forty-second Street und marschierte in östliche Richtung, zur Bar des Flanders Hotel.
Die Bar - ein einstöckiges Etablissement mit einer Sperrholztür und ohne Fenster - ist ein Anbau des siebenundzwanzigstöckigen Flanders Hotel , einen Block runter und einen Block östlich von meinem reizenden Mietshaus entfernt. Und das, wie man mich informiert hat, von derselben Empire Properties Company verwaltet wird, bei der die Leiche in meiner Badewanne angestellt war.
Die Preise in dieser Bar sind unglaublich: Ein Coors vom Faß kostet nur einen Dollar (einen halben für ältere Mitbürger), und für einen Nickel mehr bekommt man einen Frankfurter nach Wahl, ein kleines Chili (nicht so gut wie mein eigenes) oder ein Thunfisch-Sandwich. Drei tiefgefrorene White-Castle-Hamburger aus der South Bronx, ein paar Minuten in der Mikrowelle bestrahlt, kosten einen Dollar und einen Quarter.
Die Szene in dem Hotel ist nie verwechselt worden mit den fröhlichen, urbanen Annehmlichkeiten, wie sie in der Sesamstraße dargestellt werden, die sich Kinder auf einem alten, ramponierten Sylvania in einem schmuddeligen Alkoven im hinteren Teil der Lobby ansehen. Dort, wo dienstfreie Hotelangestellte mit Pistolen unter den Hemden an jeden Dope verkaufen, der sich an einen Ort irgendwo zwischen Paradies und Selbstmord rauchen, schniefen oder spritzen will.
Die Hälfte der Zimmer im Flanders sind langfristig von der Stadt angemietet, dienen als sogenannte vorübergehende Unterkunft für Familien, die kein Zuhause mehr haben und nicht wissen, wohin sonst sie gehen sollen. Zum größten Teil sind es arme, ungebildete, ungelernte, unverheiratete Frauen mit kleinen Kindern, die zur Räumung aus ihren Dreihundert- und Vierhundert-Dollar-Wohnungen mit Küchen gezwungen wurden, weil sie nicht mehr in der Lage waren, sie von ihrer Sozialhilfe oder durch Schwarzarbeit als billige Putzhilfen zu minimalen Löhnen - oder meistens beidem -zu finanzieren. Und daher bringt die City of New York, in ihrer unendlichen Weisheit und Gnade und in Übereinstimmung mit den vorherrschenden Winden aus Washington, solche Familien hoffnungsloser Frauen und notleidender Kinder in ungezieferverseuchten, drei mal vier Metern kleinen Zimmern ohne Küche im Flanders unter - das dem Staat dafür Zimmerpreise in Rechnung stellt, die sich auf durchschnittlich zweieinhalbtausend Dollar im Monat summieren. Die übrigen Zimmer werden von selbstzahlenden Nichtseßhaften belegt - kleine Zuhälter und drittklassige Nutten, Säufer, Transvestiten, Pusher, die dumm genug sind, ihre eigene Ware zu benutzen, und alternden Times-Square-Ganoven von der Straße, deren Hände zu sehr zittern, um sich noch einen Lebensunterhalt verdienen zu können.
Vor
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