Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
Gelegenheitsdiebstahl, Prostitution, Einbrüche, bewaffnete Überfälle und schließlich Mord. Dabei war dieser letzte Schritt nicht durch Eigennutz, nicht durch Gewinnstreben motiviert, sondern einzig dadurch gerechtfertigt, dass Charlie es wollte, Charlie, Man’s Son, der von ihnen den ultimativen Widerstand gegen das Establishment forderte, den letzten Beweis für ihre vollkommene Unterwerfung.
Kabarettisten prägten das Wortspiel: »The Family that slays together stays together « – die Familie sticht zusammen und steht zusammen. Der sarkastische Satz traf durchaus den Kern. Das gemeinsame, geheime Wissen darum, das strengste aller Gebote gebrochen zu haben, schweißte sie mehr als alles andere zusammen.
Er machte sich die Religion zunutze. Dabei beschränkte er sich nicht nur darauf, zur Bestätigung seiner Philosophie die Bibel heranzuziehen, sondern redete seinen Anhängern ein, er sei die Wiederkunft Christi. Er hatte seine zwölf Jünger, oft sogar mehr, nicht einen, sondern zwei Judasse – Sadie und Linda –, seinen Rückzugsort in der Wüste – die Barker Ranch – und im Justizgebäude seinen eigenen Prozess.
Er benutzte auch Musik, teils weil er ein enttäuschter Musiker war, teils aber auch, weil er zweifellos wusste, dass kaum etwas anderes junge Leute so sehr anspricht.
Er nutzte auch seine eigene überlegene Intelligenz. Er war nicht nur älter als seine Anhänger, er war auch intelligenter, eloquenter, heimtückischer und gerissener. Mit seiner Knasterfahrung, der Fähigkeit, andere zu täuschen und zu manipulieren, fiel es ihm nicht schwer, seine naiven, beeinflussbaren Anhänger davon zu überzeugen, dass nicht sie, sondern die Gesellschaft krank war – und das war genau das, was sie hören wollten.
Alle diese Faktoren trugen dazu bei, dass Manson über andere Menschen Kontrolle ausüben konnte. Doch fügt man all das zusammen, so bleibt die Frage, ob dies wirklich dazu führen konnte, dass seine Anhänger ohne Reue mordeten. Vielleicht – allerdings glaube ich, dass da noch etwas anderes im Spiel war, ein letztes Bin-
deglied, das in der Kette fehlt und das ihn befähigte, das Denken seiner Anhänger derart zu vereinnahmen und zu korrumpieren, dass sie das elementarste Gebot – Du sollst nicht töten – übertraten und willig, ja sogar eifrig auf sein Geheiß hin mordeten.
Es mag eine bestimmte Eigenschaft in seiner charismatischen, geheimnisvollen Persönlichkeit gewesen sein, eine schwer fassbare Eigenschaft oder Macht, die bisher noch niemand genau deuten und benennen konnte. Vielleicht war es auch etwas, das er von anderen gelernt hat. Aber was es auch letztlich sein mochte, so bin ich davon überzeugt, dass Manson die Formel, die er benutzte, genau kannte. Und es macht mir zu schaffen, dass wir sie nicht kennen. Denn der beängstigende Schluss, der sich aus dem Fall Manson ziehen lässt, ist, dass so etwas wieder geschehen kann.
Ich glaube, dass Charles Manson einmalig ist. Zweifellos gehört er zu den faszinierendsten Kriminellen in der amerikanischen Geschichte, und es ist eher unwahrscheinlich, dass es je wieder einen Massenmörder von seinem Schlag geben wird. Doch man muss kein Prophet sein, um in der verrückten Welt von heute zumindest ein gewisses Potenzial für eine ähnliche Verrücktheit zu sehen. Wo auch immer Menschen bereitwillig ihr Denken an autoritäre Figuren abgeben und sich ihnen bedingungslos unterwerfen – ob in einer Satanistensekte oder einem der fanatischeren Auswüchse der Jesus-Bewegung, ob im rechten oder im ultralinken Spektrum oder auch in manchen neueren spirituellen Bewegungen –, da existiert dieses Potenzial. Man kann nur hoffen, dass keine dieser Gruppen einen zweiten Charles Manson hervorbringt, doch es wäre naiv, diese beängstigende Möglichkeit auszuschließen.
Es gibt ein paar Happy Ends in der Manson-Geschichte. Für andere Beteiligte endete sie jedoch weniger glücklich.
Sowohl Barbara Hoyt als auch Dianne Lake kehrten an die Highschool zurück und machten ihren Abschluss, ohne dass die Zeit mit Manson bei ihnen allzu tiefe Narben hinterlassen hätte. Barbara lässt sich derzeit zur Krankenschwester ausbilden.
Stephanie Schram führt ihren eigenen Hundesalon. Paul Watkins und Brooks Poston gründeten eine Jazz-Combo und treten in verschiedenen Clubs im County Inyo auf. Immerhin waren ihre Songs so gut, dass sie Robert Hendrickson als Hintergrundmusik für seinen Dokumentarfilm über Manson dienten.
Nach dem Brand verkaufte
Weitere Kostenlose Bücher