Helvetias Traum vom Glück (German Edition)
lösen, wenn auch auf seine ganz persönliche Art und Weise. Eigentlich geht mich die Sache mit Markwart gar nichts an. Soll Borer die Kuh selbst vom Eis holen. Borer, das Ekelpaket oder, wie es Nadine bezeichnete, der Stinkstiefel. Gut, der Staatsanwalt half ihm auch hin und wieder, liess ihn mit seinen teils unüblichen Methoden gewähren und drückte zuweilen auch beide Augen zu. Zudem wollte er schon lange wieder einmal mit Olivia essen gehen. In den letzten Monaten hatten ihn einige komplizierte Fälle davon abgehalten. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt dafür.
«Gut, ich rufe Olivia an. Dafür schulden Sie mir aber einen Gefallen.»
«Wunderbar! Dann will ich Sie nicht weiter stören. Sie haben bestimmt viel um die Ohren», rief er und weg war er.
Typisch Borer! Kaum ist das Ziel erreicht, macht er einen Abgang. Ferrari kritzelte «Olivia wegen Borer anrufen» auf einen Zettel und stellte wieder seinen Fernseher an. Die Kommentatoren hielten sich vornehm zurück. Aber zwischen den Zeilen konnte man klar und deutlich herauslesen, dass die Schweizer Presselandschaft geschockt war. Niemand hatte mit der Wahl von Weller gerechnet. Der Bundeshauskorrespondent des Schweizer Fernsehens brachte es auf den Punkt: «Es müssen in den letzten Tagen geheime Absprachen stattgefunden haben. Anders lässt sich die Mehrheit für Weller nicht erklären. Der gesamte bürgerliche Block, mit Ausnahme von wenigen Dissidenten, hat Weller auf den Schild gehoben. Die politische Schweiz geht harten Zeiten entgegen.»
Das geht sie doch wohl schon seit geraumer Zeit, dachte Ferrari. Bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise, für ihn eher eine Bankenkrise, bei der vor allem die Chefetage der Finanzinstitute über Jahre Monopoly mit den Anlegergeldern gespielt hatte, versagten sowohl Kontrollinstanzen wie auch die Politik. Zuerst sass der Bundesrat wie ein Kaninchen vor der Schlange, dann sorgte er mit verschiedenen, unglücklichen Interventionen für ein ziemliches Chaos. Das Vertrauen der Bevölkerung in Wirtschaft und Politik war an einem Tiefpunkt angelangt. Vielleicht war dies unter anderem einer der Gründe für den extremen Rechtsrutsch in den vergangenen Monaten. Mit Sicherheit waren die schlechte Konjunktur und die steigende Arbeitslosigkeit, vor allem auch unter jungen Menschen, ein guter Nährboden für eine Partei wie die EFP. Wenn dann ein Messias wie Weller auftaucht, der als erfolgreicher Unternehmer zahlreiche Stellen schafft, Lehrlinge ausbildet, denen er nach der Lehrzeit eine Festanstellung garantiert, liegt es auf der Hand, dass ihm die Stimmen zufliegen. Der neu gewählte Bundesrat gab strahlend sein erstes Interview. Er dankte den Wählerinnen und Wählern, die ihm vor zwei Monaten das Vertrauen bei den National- und Ständeratswahlen ausgesprochen hatten und selbstverständlich der Bundesversammlung für seine Wahl. In perfektem Hochdeutsch und danach nochmals das Ganze in perfektem Französisch, soweit der Kommissär das beurteilen konnte. Wenigstens einer, der sprachlich eine gute Falle macht. Ferrari lief es jedes Mal kalt den Rücken herunter, wenn einer der anderen Bundesräte auf Hochdeutsch ein Interview gab. Unverkennbar, dass er aus der Schweiz stammte. Langgezogene Worte, halb Hochdeutsch, halb Dialekt, meist durch tausend «Ähs» unterbrochen. Ganz anders dieser Weller. Ein smarter Fünfzigjähriger mit Charisma und einer perfekten Aussprache. Ferrari erinnerte sich an ein Fernsehinterview, in dem Weller über seine Studienjahre in Deutschland, Frankreich und in den USA gesprochen hatte. Also der richtige Mann für die Regierung, wäre da nicht seine politische Gesinnung.
Im Laufe des Tages war die Wahl Wellers natürlich auch im Kommissariat das Gesprächsthema Nummer eins. Die Meinungen gingen weit auseinander. Nach hitzigen Diskussionen nutzte Ferrari den restlichen Tag, um längst fällige Berichte zu schreiben. Eine Arbeit, die ihm wenig Vergnügen bereitete.
«Darf ich reinkommen?»
«Bitte. Ich habe mich schon gefragt, wo du bist. Irgendwo auf einer Voodoo-Frauen-Versammlung, rund um eine Weller-Puppe tanzend?»
«Ha, ha! Wie originell. Ich wollte mich entschuldigen.»
«Für was?»
«Na, du weisst schon. Für meinen Ausraster heute Vormittag.»
Ferrari lachte.
«Knüppel aus dem Sack und voll drauf hauen! Aber du hast damit den Falschen erwischt. Es gibt sicher mehr von denen, wie du sie geschildert hast. Aber ich gehöre nicht dazu.»
«Du warst halt der einzige Mann, der gerade da
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