Henker-Beichte
wie mich die Alpträume plagten, wie die von mir ermordeten Menschen wieder auferstanden und mich quälten. Sie waren nur in meinen Träumen vorhanden und nicht existent, aber sie waren da, als Geister des Schreckens.« Er hob die Schultern. »Dies nach all den langen Jahren.«
Abbé Bloch wartete mit seiner Antwort. Dann fragte er: »Geht es Ihnen nach dieser Beichte besser?«
»Wie meinen Sie?«
»Fühlen Sie sich erleichtert?«
Cresson strich über sein graues Haar. »Ja, ich fühle mich auf die eine oder andere Weise erleichtert, aber ich weiß auch, daß das Finale noch bevorsteht.«
»Bei dem Sie nicht allein sein werden. Sie bekommen Hilfe. Nicht nur von mir, sondern auch durch John Sinclair.«
»Vergessen Sie ihn, mon ami. Er wurde ausgeschaltet.«
Da mußte der Abbé einfach lächeln. In seinen Augen tanzten der Schalk und die Freude. »Nein, nein«, sagte er, »so einfach ist das nicht. Man hat den guten John zwar ausschalten können, aber er ist wieder da. So leicht bringt man ihn nicht aus dem Rennen.«
Auguste Cresson überlegte. »Gäbe es denn noch eine Chance für uns – für mich!«
»Die gibt es immer.«
»Himmel, ich möchte Ihren Optimismus haben, Abbé.«
»Vielleicht ist es das, was uns beide unterscheidet. Ich bin ein optimistischer Mensch. Jeder, der glaubt, sollte das sein und nicht in dumpfe Trauer verfallen.«
»Das ist einfacher gesagt, als getan. Ich habe wohl den Fehler gemacht, kein großer Optimist zu sein. Wie hätte ich das bei meinem Beruf auch werden können?«
»Ihnen hat der Glaube gefehlt.«
»Auch das.«
»Trotzdem sind Sie kein schlechter Mensch, Auguste. Was ich in Paris mit Ihnen erlebt habe, werde ich auch nicht vergessen. Sie haben, das steht fest, eine sehr große Schuld auf sich geladen. Aber ich bin ein Mensch und kein Richter. Da müssen Sie sich vor einer anderen Macht verantworten. Ich handele wie ein Mensch, denn keiner von uns ist ohne Schuld. Wer das ist, der werfe den ersten Stein. Vergeben kann Ihnen nur Gott, wir aber können Ihnen helfen.«
Cresson hatte den Kopf gesenkt und schaute auf seine auf dem Tisch liegenden und wie zum Gebet gefalteten Hände. »Ich habe das alles gehört, Abbé«, sagte er, »und ich frage mich trotzdem, warum Sie das für mich tun.«
»Die Antwort ist einfach.«
»Bitte…«
»Weil Sie ein Mensch sind, Auguste. Ja, Sie sind ein Mensch, und einem Menschen muß geholfen werden. Glauben Sie nur nicht, daß Sie allein privilegiert sind, nein, das auf keinen Fall. Für einen Clochard hätten wir uns ebenso eingesetzt wie für Sie. Es geht uns einzig und allein um den Menschen.«
Cresson überlegte. »Danke, daß Sie mir das gesagt haben. Ich fühle mich jetzt nicht mehr ganz so tief in Ihrer Schuld.«
»Das brauchen Sie auch nicht.«
»Aber wir sitzen hier und reden, wobei die Gefahr noch längst nicht gebannt ist.«
»Da haben Sie recht.«
»Darf ich Sie«, er beugte sich vor, »nach einem Plan fragen, Abbé? Haben Sie sich schon etwas ausgedacht?«
»Nein.« Bloch sah das Erschrecken in den Augen des anderen Mannes und milderte die Antwort etwas ab. »Wir lassen es einfach auf uns zukommen, das ist wohl am besten.«
»Ich… ich soll also warten?«
»Nicht allein.«
»Aber das Beil wird alle töten. Es steht unter einem unheilvollen Einfluß. Es gibt den Geist des toten Medizinmannes, der es bewegt, und ich spüre allmählich, daß es nicht mehr weit entfernt ist.« Seine Hand schnellte vor und bekam die Finger des Abbés zu fassen. »Glauben Sie mir, es ist nahe, sehr nahe…«
»Das wissen Sie genau?«
Cresson nickte heftig. »Ja, ja, da tut sich etwas in mir. Das sagt mir mein Gefühl. Es ist so, als würde sich einiges über mir zusammenpressen. Ich komme nicht mehr damit zurecht, selbst das Atmen fällt mir schwer. Abbé, die Gefahr ist da«, hauchte er.
»Beruhigen Sie sich, Auguste. Sollte einer meiner Brüder den Schatten oder das Beil selbst sehen, bekommen wir sofort Bescheid.«
»Schön, das weiß ich ja. Wenn es soweit ist, was wollen Sie dagegen unternehmen?«
»Wir werden uns schon etwas einfallen lassen.«
»Das sind doch…« Er stoppte mitten im Satz. Während des Sprechens hatte er den Kopf bewegt.
Dann sprang er hoch.
»Was ist denn?«
Cresson riß auch seine Arme in die Höhe und deutete zur Decke. »Da ist es, Abbé – da!«
Bloch schaute ebenfalls hoch – und kriegte eine Gänsehaut. Cresson hatte nicht gelogen.
Unter der Decke zeichnete sich tatsächlich der Schatten des
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