Henker-Beichte
Händen wurde ihm zu schwer, und ich sah, wie seine Arme nach unten sanken.
Dabei fiel ihm die Waffe aus den Händen.
Als das passierte, hatte ich ihn erreicht.
Vor Drack blieb ich stehen, die Beretta zeigte mit der Mündung nach unten, aber Drack war nicht mehr in der Lage, sich zu wehren. Die herabfallenden Splitter hatten seinen Körper und auch sein Gesicht tatsächlich böse erwischt. Aus zahlreichen unterschiedlich großen Gesichtswunden quoll Blut. Ein Stück schmutziger Scheibe steckte sogar noch in seiner Stirn.
Unter ihr bewegten sich die Augen. Er hatte mich erkannt. Ich entnahm es seinem Blick, obwohl dieser bereits vom Schleier des Todes getrübt wurde.
»Du hast Glück gehabt, Sinclair. Verdammtes, unverschämtes Glück.«
»Das stimmt.«
Er lachte mich an und hustete dabei. »Und ich habe dich unterschätzt. Mein Fehler.«
»Die Rache gelingt nicht.«
»Sinclair«, keuchte er, »ich bin nur ein kleines Licht. Okuba und sein Vater sind stärker, viel stärker…« Er hustete noch einmal, zuckte dabei und die in seinem Kopf steckende Scheibe brach auseinander. Sie fiel über seine Augen, als wollte sie die Starrheit des Todes darin abdecken.
Drack lebte nicht mehr.
Ich stand vor dem Toten und atmete zunächst einmal tief durch. Dabei versuchte ich auch, das Zittern der Knie zu unterdrücken. Was ich erlebt hatte, mußte erst verdaut werden. Es war der natürliche Schock, der stets nach derartigen Ereignissen eintrat. Zumindest bei mir und den meisten Menschen, nicht aber bei Profikillern, die reagieren sich später irgendwie anders ab.
Ich wollte den Toten untersuchen und kniete mich deshalb neben ihn.
Die auf seinem Kopf liegende Scheibe räumte ich zur Seite, dann sah ich die Schußwunden.
In der Brust hatte ich ihn erwischt, aber auch im Bein. Dieser Treffer hatte für seinen Sturz gesorgt, und wahrscheinlich hatte er sich im Fallen den zweiten Treffer zugezogen.
Drack hatte es nicht geschafft. Ein kleiner Lichtblick zumindest, aber ich wußte nicht, wie es dem Abbé und Cresson ging. Zudem hatte ich die beiden Männer nicht vergessen.
Ich sah sie, als ich aufstand und mich umdrehte. Sie standen jetzt vor mir, schon innerhalb des Gewächshauses, schauten mich an und bekamen auch mit, wie ich das Magazin der Beretta wieder füllte.
Ich ging auf die beiden zu und erklärte ihnen, daß sie mir wahrscheinlich das Leben gerettet hatten.
Sie schauten sich an, konnten es nicht begreifen und hoben die Schultern. »Aber wir haben doch nichts getan…«
»Doch, das habt ihr. Euer Eintreffen hat den Killer abgelenkt. Nur für kurze Zeit, das hat mir gereicht.«
»Ist er denn tot?«
»Ja.«
Die Männer schwiegen.
»Ich habe es nicht gewollt, aber ich mußte mein Leben verteidigen.«
»Sicher, das verstehen wir.«
»Warum seid ihr gekommen?«
»Wir sollten Sie holen. Man hat uns gesagt, wo Sie sind. Sie müssen kommen, der Abbé will es.«
»Was ist passiert?«
»Wir wissen noch nichts.«
»Aber der Besucher, Auguste Cresson, ist da?«
»Wenn der Mann, mit dem der Abbé zusammen ist, so heißt, dann stimmt es.«
»Gut, lassen Sie uns gehen!«
»Und den Toten? Sollen wir ihn hier liegenlassen?«
»Zunächst ja. Um ihn können wir uns später kümmern, denn nun sind die Lebenden wichtiger.« Dagegen hatten sie nichts einzuwenden…
***
Abbé Bloch fragte sich, wie ein Mensch es schaffte, derartige Laute zu produzieren.
Der Henker saß vor ihm!
Ein Mensch? War er ein Mensch?
Ja und nein. Er war vom Äußeren her ein Mensch, auf der anderen Seite auch ein verzweifeltes Bündel, völlig aufgelöst und so gut wie am Ende seiner Kräfte.
Cresson sprach, er beichtete, er mußte reden, um sich von seinem schrecklichen Gewissensdruck zu befreien. Und der Abbé saß ihm gegenüber und hörte zu.
Nur einmal waren die beiden Männer gestört worden, als ein Bruder berichtete, daß John Sinclair im Ort war, wobei der Abbé wollte, daß sein Freund aus London so schnell wie möglich kam.
Danach waren sie ungestört geblieben.
Der Henker redete weiter. Er sprach von seinen Taten, die er fast alle behalten hatte. Sein Gehirn war zu einem Speicher des Bösen geworden. Alles konnte er mühelos abrufen, nur nahm es ihn unwahrscheinlich mit, diese furchtbaren Taten zuzugeben.
Eine derartige Beichte hatte es wohl noch nie zuvor in der Welt gegeben, und selbst Bloch war nicht nur überrascht, sondern auch mitgenommen.
Er hatte sich sehr rasch einen Eindruck über das Leben dieser Person
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