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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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markerschütternder Schrei lockte ihn wieder nach draußen. Elisabeth stand allein mitten auf dem Hof. Der Hund, der sonst an einer langen Eisenkette lag und das Tor bewachte, direkt vor ihr. Er musste sich losgerissen haben. Speichel troff aus seiner Schnauze, und er knurrte böse. Der Hund war fast so groß wie Elisabeth, ihre weit aufgerissenen Augen blickten direkt in seine. Ihre Unterlippe zitterte.
    Plötzlich sprang der Hund nach vorn und verbiss sich in Elisabeths Unterarm. Wieder schrie sie. Wendel wollte ihr helfen, doch er wusste nicht, wie. Vor Angst vermochte er nicht, sich zu rühren. Elisabeth weinte und schrie, der Hund sprang wieder und wieder bellend an ihr hoch, biss ihr erst in die Schulter, dann in die Kehle. Blut spritzte auf Elisabeths Kleid, auf ihre nackten Arme, auf den Boden.
    Elisabeth taumelte rückwärts und fiel um. Ihr Schreien wurde leiser, bis sie nur noch wimmerte. Doch der Hund ließ nicht von ihr ab. Er bellte wütend, zerrte an dem wehrlosen kleinen Körper, bis das Kleid aufriss und er seine mörderischen Zähne in Elisabeths nackten Bauch hieb.
    Wendel zitterte. Er sah das viele Blut, den leblosen blutüberströmten Körper seiner Schwester, den die Bestie über den Boden schleifte wie einen Sack Mehl. Die Steine, die Elisabeth so sorgfältig ausgelegt hatte, rollten durcheinander.
    Wendel wollte schreien: »Nicht die Steine! Du darfst sie nicht durcheinanderbringen! Das ist Fugerien, ein fernes Land, in dem Elisabeth die Königin ist!« Doch nicht einmal ein Flüstern drang über seine Lippen.
    »Sie ist die Königin von Fugerien« war das Letzte, was er dachte. Dann sackten seine Beine unter ihm weg.
***
    Ottmar de Bruce hörte das Würgen und wandte sich ab. Othilia ekelte ihn von Tag zu Tag mehr, vor allem seit sie schwanger war und jeden Morgen die Überreste des Abendessens in den Nachttopf erbrach. Normalerweise sollte ihn das nicht scheren, schließlich hatte er seine eigenen Schlafgemächer, in die er sich zurückziehen konnte, doch so leicht ließ sich seine Gemahlin nicht abschütteln. Mit großen Rehaugen bat sie ihn jeden Abend, bei ihr zu liegen. Auch wenn ihre schamlose Wollust ihn abstieß, ließ er sich meist erweichen. Oft war er gröber zu ihr als zu seinen Mägden, zog sie an den Haaren, schlug sie und stieß in sie hinein, als würde er sein Schwert in den Leib eines Feindes stoßen. Wenn sie vor Schmerzen schrie und keuchte, vergaß er, wie sehr er sie verabscheute. Und wenn er mit ihr fertig war, fiel er gewöhnlich sofort in einen tiefen Schlaf, was zur Folge hatte, dass er am nächsten Morgen von ihrem Würgen erwachte.
    De Bruce rollte sich aus dem Bett. Rasch streifte er sich die Kleider vom Vortag über, die Beinlinge, die Cotte, den Surcot aus dunkelblauem Samt und die braunen Lederstiefel.
    Er war schon bei der Tür, als Othilia mit ihrer hohen, näselnden Stimme seinen Namen rief. »Ottmar? Du gehst schon fort?«
    Er zog es vor, nicht zu antworten, trat hinaus auf den Gang und knallte die Tür hinter sich zu. Es war noch still auf der Burg, doch er wusste, dass in der Küche und auf dem Handwerkerhof bereits alle bei der Arbeit waren.
    Auf dem Turm schlugen ihm das Licht und die Wärme des Morgens entgegen. Der Himmel war tiefblau, ein paar weiße Wolkenfetzen stoben in der Ferne über den Horizont, eine Brise strich ihm über das Gesicht.
    Er stellte sich an die Mauer und blickte hinab. Auf dem Hof ging alles seinen gewohnten Gang, ein Knecht fuhr eine Karre Stroh in den Pferdestall, ein Bursche schleppte zwei Eimer Wasser in Richtung Küche, eine schmale Rauchsäule zeigte an, dass in der Backstube bereits Feuer entfacht war, und aus der Schmiede drang ein regelmäßiges Klopfen.
    Ein Junge trat vor die Tür. Er war noch keine vierzehn Jahre alt, doch sein Körper war muskulös wie der eines Mannes. Sein widerspenstiges schwarzes Haar hatte der Junge hinter die Ohren gestrichen, doch eine Strähne fiel ihm ins Gesicht, als er sich vorbeugte, um einen Korb mit Feuerholz zu füllen.
    Ihn zu beobachten erfüllte de Bruce mit Stolz. Der Bursche hieß Nicklas und machte ihm alle Ehre – was an ein Wunder grenzte, wenn man bedachte, wer seine Mutter gewesen war. Sie hatte in der Küche gearbeitet, ein junges, recht hübsches, aber strohdummes Ding, das de Bruce sich nach einer durchzechten Nacht aus einer Laune heraus genommen hatte. Die dämliche Göre hatte die ganze Zeit geheult, er hätte ihr fast den Hals umgedreht vor Wut. Und dann war sie

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