Henkerin
gearbeitet«, erklärte Melisande. »Ida und Hermann wissen davon.«
»Heilerin. So, so.« Der Bader bedachte sie mit einem bohrenden Blick. »Das sieht allerdings mehr danach aus, als wärst du als Feldscher mit in die Schlacht geritten, du legst den Verband besser an als Meister Linhard, der städtische Wundarzt.«
Melisande senkte den Blick. »In der Tat. Mein Lehrmeister war viele Jahre auf Schlachtfeldern unterwegs. Daher weiß ich, wie man diese Verletzungen versorgt.«
Der Bader nahm sie am Arm und zog sie auf die Seite. »An deiner Stelle wäre ich vorsichtig. Mir ist es egal, aber es gibt einige gelehrte Herren der Zunft, die es gar nicht gerne sehen, wenn ihnen ein Weibsbild, noch dazu eine einfache Magd, den Rang abläuft. Du hast ja gehört, wie flugs man von einem gottgefälligen Helfer zu einer teuflischen Hexe wird. Sei vorsichtig, damit du nicht irgendwann brennst wie die Wagen der toten Kaufleute hier.«
***
Dicht gefolgt von Henner Langkoop kletterte Konrad Sempach die steile Treppe in den Keller des Schelkopftors hinab. Der mangelnde Appetit hatte auch einen Vorteil, musste er sich eingestehen. Das Laufen fiel ihm leichter, und er kam seltener aus der Puste.
Unten stank es wie üblich nach Fäulnis, getrocknetem Blut und Fäkalien. Sempach ließ sich davon jedoch nicht ablenken, sondern betrat den Thronsaal, wo der Delinquent, ein Büttel und der neue Henker bereits warteten. Der Beschuldigte, ein dürrer Greis, dessen Hände auch ohne Folter unaufhörlich zitterten, hatte angeblich die Metzger in der Pliensauvorstadt bestohlen. Sempach konnte sich nicht recht vorstellen, wie das alte Männlein schwere Schinken und Braten davongeschleppt haben sollte, doch er hatte in seinem Leben schon zu viel gesehen, um es nicht dennoch für möglich zu halten.
Er betrachtete Meister Ekarius, den neuen Henker. Er war fett, so fett, dass sein ganzer Körper wabbelte, wenn er sich bewegte. Außerdem war er nie nüchtern. Zumindest hatte er ihn in den drei Wochen, die er jetzt in Esslingen weilte, noch kein einziges Mal nüchtern angetroffen. Auch nicht, wenn Arbeit anstand. Und das machte sich bemerkbar. Nicht, dass Meister Ekarius seine Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt hätte. Was das anging, war er absolut zuverlässig. Es war mehr die Art, wie er seinem Handwerk nachging. Es mangelte ihm an jeglichem Feingefühl, jeglicher Präzision. Anfangs hatte Sempach gedacht, dass mit diesem Henker die peinlichen Befragungen noch unterhaltsamer werden könnten. Doch das genaue Gegenteil war der Fall. Dieser grobe Klotz fuhrwerkte mit den Daumenschrauben und glühenden Zangen herum, als würde er eine Felswand behauen. Da blieben weder Zeit noch Raum, die Details zu genießen, weder die Angst in den Augen des Beschuldigten noch die feine Mechanik der Gerätschaften oder ihre besondere Wirkungsweise.
Sempach seufzte unwillkürlich. Wie viel besser war es doch mit Melchior gewesen. Doch der war nun offiziell für tot erklärt worden. Der Rat hatte beschlossen, dass eine weitere Suche keinen Sinn hatte und dass das Gerede über die Stadt Esslingen, der der Henker abhandengekommen war, endlich ein Ende haben musste. Also hatte Johann Remser vor einer Woche auf dem Marktplatz eine Erklärung verlesen, in der es hieß, Melchior sei im Wald von wilden Tieren getötet worden. Seine Leiche habe man an Ort und Stelle verbrannt, die Asche in alle Winde verstreut.
Leider war Sempach auch bei Meister Henrich nicht weitergekommen. Er hatte ihn zwar noch einmal eindringlich befragt, doch der Braumeister hatte sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Im Gegenteil, er hatte die Arme ausgebreitet und Sempach aufgefordert, sein Haus zu durchsuchen. Natürlich hatte Sempach sich nicht so weit erniedrigt, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Wenn Henrich eine Ketzerbibel besaß, dann befand sie sich in einem sicheren Versteck. Doch er hatte weiterhin ein Auge auf den Braumeister. Früher oder später würde sich das auszahlen, davon war er überzeugt.
»Entschuldigt.« Der Schreiber kam atemlos die Treppe heruntergestürmt. »Ich wurde aufgehalten.«
»Das wurde aber auch Zeit«, brummte Sempach. »Fangen wir an.«
Eine halbe Stunde später war der Alte tot. Der eilig herbeigerufene Medicus bestätigte, dass der Verdächtige nicht seinen Verletzungen erlegen war, sondern sein Herz wohl vor Schreck aufgehört hatte zu schlagen. Der Henker hatte sich nichts zuschulden kommen lassen, ebenso wenig wie die beiden Ratsherren
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