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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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sie auch bitter nötig, bei all dem Dreck, den sie sich in ihre abscheuliche Visage schmiert. Webster war schließlich nicht der einzige, der Gerippe unter der Haut sehen konnte. Als ich mich neulich rasieren wollte ...«
    »Wer ist denn Webster?« fuhr Eva dazwischen, bevor Wilt seinen wenig appetitlichen Bericht über Mrs. Hoggarts unvermutetes, splitterfasernacktes Auftauchen hinter dem Duschvorhang loswerden konnte.
    »Niemand. Das stammt aus einem Gedicht. Aber wenn wir schon von unkorsettierten Brüsten sprechen, die alte Vettel ...«
    »Wehe, du wagst es noch einmal, sie so zu nennen! Sie ist meine Mutter, und eines Tages wirst auch du alt und hilflos sein und brauchst ...«
    »Kann schon sein, aber vorerst bin ich es noch nicht, und das letzte, was ich brauchen kann, ist so ein alter Vampir, der im Haus herumgeistert und im Bett Zigaretten pafft. Ein Wunder, daß sie uns nicht die ganze Bude eingeäschert hat, als ihr Bettüberwurf brannte.«
    Die Erinnerung an jenen schrecklichen Auftritt und den schwelenden Bettüberwurf hatte Eva davon abgehalten, ihre an besseren Tagen aufkeimende Absicht in die Tat umzusetzen. Außerdem steckte in Henrys Worten ein gutes Stück Wahrheit, auch wenn er sich ziemlich abscheulich ausgedrückt hatte. Evas Gefühle für ihre Mutter waren immer ambivalent gewesen, und ihre Anwandlungen, sie zu sich zu holenentsprangen zum Teil dem Wunsch nach Rache. Sie würde ihr schon zeigen, was eine wirklich gute Mutter war! Und so rief sie die alte Dame an einem ihrer besseren Tage an und erzählte ihr, wie prächtig sich die Vierlinge doch machten und was für eine rundum glückliche Atmosphäre zu Hause herrschte und daß selbst Henry eine prächtige Beziehung zu den Kindern hätte – an dieser Stelle wurde Mrs. Hoggart stets von einem Reizhusten befallen –, und an ihrem allerbesten Tag lud Eva sie übers Wochenende ein, was sie bereits in demselben Augenblick bereute, da sie den Hörer auflegte. Inzwischen war es dann einer jener bewußten Tage.
    Heute jedoch widerstand Eva der Sherry-Versuchung und ging statt dessen zu Mavis Mottram hinüber, um sich mit ihr vor dem Mittagessen noch einmal so richtig auszusprechen. Sie hoffte nur, Mavis würde nicht versuchen, sie für die ›Kampf dem Atomtod‹-Demo anzuheuern.
    Aber genau das tat Mavis. »Es nützt dir gar nichts, Eva, wenn du dich darauf hinausredest, daß du alle Hände voll mit den Vierlingen zu tun hast«, meinte sie, als Eva ihr klarzumachen suchte, daß sie die Kinder unmöglich Henry anvertrauen konnte und was passieren würde, wenn die Polizei sie festnähme und einsperrte. »Wenn es einen Atomkrieg gibt, wirst du gar keine Kinder mehr haben. Sie werden bereits in der ersten Sekunde tot sein. Schließlich versetzt uns der Militärstützpunkt Baconheath in eine Erstschlag-Situation. Die Russen wären gezwungen, zuzuschlagen, um sich gegen einen Erstschlag zu schützen, und dabei würden wir natürlich alle draufgehen.« Eva war bemüht, dem zu folgen. »Ich verstehe nicht, warum wir das Ziel für einen Erstschlag sein sollen, wenn die Russen angegriffen werden«, sagte sie schließlich. »Wäre das dann nicht ein Zweitschlag?«
    Mavis seufzte. Es war immer ziemlich schwierig, Eva etwas begreiflich zu machen. Das war zwar nie anders gewesen, aber jetzt, wo sie sich hinter den Vierlingen verschanzen konnte, war es so gut wie unmöglich. »Kriege fangen doch nicht so an. Sie fangen wegen trivialer Kleinigkeiten, wie etwa 1914 mit der Ermordung des Erzherzogs Ferdinand in Sarajewo an«, sagte Mavis und erklärte damit die Sachlage so simpel, wie ihre Tätigkeit an der Volkshochschule es ihr gestattete. Doch Eva war keineswegs beeindruckt.
    »Leute umbringen, das nenne ich nicht gerade trivial«, sagte sie. »Es ist böse und dumm.«
    Mavis verfluchte sich. Sie hätte daran denken müssen, daß Eva seit ihren Erlebnissen mit Terroristen ein Vorurteil gegenüber politischem Mord hatte. »Natürlich ist es das. Das bestreite ich ja gar nicht. Was ich sagen will ...«
    »Das muß schrecklich für seine Frau gewesen sein«, sinnierte Eva, die wie üblich an die häuslichen Folgen dachte. »Da sie zufällig mit ihm zusammen umgebracht wurde, hat es ihr wohl nicht allzuviel ausgemacht«, erwiderte Mavis verbittert. Irgendwie hatte diese ganze Familie Wilt etwas grauenhaft Gesellschaftsfeindliches an sich. Trotzdem gab Mavis nicht auf. »Ich will damit ja nur sagen, daß der bis heute abscheulichste Krieg in der Geschichte der

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