Henry dreht Auf
sagte Eva, die sich an die häufig zitierten Multis gewöhnt hatte, auch wenn sie nicht genau wußte, was es eigentlich damit auf sich hatte, und mit dem Begriff »Pharma« absolut nichts anfangen konnte. »Trotzdem wundert es mich, daß Patrick einverstanden war.«
»Einverstanden?«
»Nun, mit einer Vasektomie.«
»Wer hat denn etwas von Vasektomie gesagt?«
»Aber du hast doch gesagt, daß er zu Dr. Kores gegangen ist.« »Ich bin gegangen«, sagte Mavis grimmig. »›Mein Junge‹habe ich mir gesagt, ›jetzt reicht’s. Ich habe die Nase von deinem Herumscharwenzeln mit anderen Frauen endgültig gestrichen voll, und Dr. Kores kann da vielleicht helfen.‹ Und so war es auch. Sie gab mir etwas mit, um seinen Geschlechtstrieb zu bremsen.«
»Und er hat es genommen?« fragte Eva, die nun ehrlich verblüfft war.
»Und ob! Er war schon immer scharf auf Vitamine, besonders Vitamin E. So habe ich die Kapseln in der Flasche einfach ausgetauscht. In den neuen sind irgendwelche Hormone oder Steroide drin, und er schluckt davon morgens eine und abends zwei. Natürlich sind die Dinger noch im Experimentierstadium, aber Dr. Kores hat mir versichert, daß sie bei Schweinen ausgezeichnet wirken und völlig unschädlich sind. Freilich hat Patrick etwas zugenommen und sich auch schon über leicht geschwollene Brustwarzen beklagt, aber dafür ist er deutlich ruhiger geworden. Abends geht er nicht mehr aus, sitzt nur noch vor der Glotze und döst vor sich hin. Das Zeug hat ihn ziemlich verändert.«
»Das kommt mir aber auch so vor«, sagte Eva, die daran dachte, was für ein Windhund Patrick Mottram immer gewesen war. »Aber bist du wirklich sicher, daß das Zeug ungefährlich ist?«
»Absolut. Dr. Kores hat mir versichert, daß es demnächst bei Schwulen und Transvestiten angewendet werden soll, die Angst vor einer chirurgischen Geschlechtsumwandlung haben. Es läßt die Hoden schrumpfen oder so was ähnliches.«
»Das klingt aber nicht sehr nett. Eine Schrumpfung bei Henry würde ich mir nicht wünschen.«
»Das kann ich dir nicht verdenken«, meinte Mavis, die sich mal auf einer Party an ihn herangemacht hatte und immer noch sauer darüber war, daß er sie hatte abblitzen lassen. »In seinem Fall könnte sie dir wahrscheinlich was Stimulierendes geben.«
»Glaubst du wirklich?«
»Versuchen kannst du es ja mal«, meinte Mavis. »Dr. Kores hat Verständnis für Frauenprobleme, und das ist mehr, als man von den meisten Ärzten behaupten kann.«
»Aber ich dachte, sie ist gar kein richtiger Arzt wie etwa Dr. Buchmann. Ist sie nicht irgend etwas an der Universität?« Mavis Mottram unterdrückte den spontanen Impuls zu sagen, daß sie dort als Beraterin für Viehzucht tätig sei, was Henry Wilts Bedürfnissen sogar noch eher entspräche als denen Patricks.
»Das eine schließt das andere nicht aus, Eva. Weißt du, an der Universität gibt es eine medizinische Fakultät. Aber das Entscheidende ist, daß Dr. Kores eine Praxis für Frauen betreibt, die Probleme haben, und ich bin überzeugt, daß du sie sehr sympathisch und hilfsbereit finden wirst.« Bis Eva gegangen, in die Oakhurst Avenue 45 zu einer mit Weizenkleie verfeinerten Suppe zurückgekehrt war, hatte sie ihren Entschluß gefaßt. Sie würde Dr. Kores anrufen und sie wegen Henry aufsuchen. Auch sonst war sie ganz zufrieden mit sich. Sie hatte es geschafft, Mavis von dem deprimierenden Thema Atombombe ab- und auf das der alternativen Medizin zuzulenken und auch darauf, daß über die Zukunft unbedingt von Frauen entschieden werden mußte, nachdem die Vergangenheit von den Männern gründlich verhunzt worden war. Ja, Eva war durchaus dafür, und als sie losfuhr, um die Vierlinge abzuholen, war es unbestreitbar einer ihrer besseren Tage. Allenthalben taten sich neue Möglichkeiten auf.
Kapitel 2
Auch für Wilt taten sie sich überall auf, doch hätte er seinen Tag nicht in die Kategorie der besseren eingeordnet. Umdunstet von köstlichem Biergeruch, war er in die Schule zurückgekehrt in der Hoffnung, sich ungestört ein bißchen auf den abendlichen Vortrag im Stützpunkt vorbereiten zu können. Doch dort erwartete ihn bereits der Bezirksinspektor für Kommunikative Techniken mit einem weiteren Mann in dunklem Anzug. »Das ist Mr. Scudd vom Erziehungsministerium«, sagte der Inspektor. »Im Auftrag des Ministers stattet er einer Reihe von Weiterbildungsanstalten unangemeldete Besuche ab, um sich von der Relevanz bestimmter Lehrangebote zu
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