Herbert, James - Die Brut.pdf
Pender ein seltsames Klingeln zu hören. Wahrscheinlich narrte ihn die plötzliche Stille.
Er sah zu Boden, bemerkte die geduckten Körper der Ratten ringsum, sah, wie sie zitterten, wie die Augen der Tiere fast aus den Höhlen traten. Sie hatten die Ohren gespitzt, als lauschten sie einem Ton, der für das menschliche Gehör zu hoch war. Aus den Augenwinkeln bemerkte er ein weißes Etwas, das ganz in seiner Nähe im Schutt lag.
Ein Sonnenstrahl, der durch ein großes Loch im hinteren Teil des Schädels fiel, erhellte die leeren Augenhöhlen. Pender fühlte Übelkeit in sich aufsteigen, die Knie wurden ihm weich, sein Körper schwankte. Der Schädel war der eines Menschen. Daneben lag ein weiterer, dann entdeckte er noch einen. Er versuchte krampfhaft, auf den Füßen zu bleiben, nicht zwischen die Bestien auf den Boden zu stürzen. Überall lagen Objekte herum, hell schimmernde Knochen von ausgerissenen Gliedern, doch in der Mehrzahl Totenköpfe, einige total auseinandergebrochen, andere wiederum nur mit einem größeren Loch in der hinteren Schädelplatte. Langsam schob sich der Rattenfänger von dem hellen Lichtfleck weg, achtete sorgfältig darauf, nicht auf einen der geduckten Leiber zu treten und damit das ganze Tollhaus wieder zum Leben zu er-wecken. Er bewegte sich auf die Wand zu, die irgendwo hinter ihm sein musste, hoffte dort einen Fluchtweg nach oben zu finden. Er wollte den Tutor zu sich rufen, unterließ es aber. Falls er einen Aufstieg fand, konnte er ihn immer noch zu sich hin dirigieren, ohne dabei kostbare Zeit zu verlieren.
Er trat einer Ratte auf die Klaue, und das Tier stieß einen hohen Schrei aus. Pender erstarrte, doch die Bestie veränderte nur ihre Stellung und duckte sich wieder. Sonst rührte sich nichts.
Wenig später stieß er mit dem Rücken gegen die rauhe Kellerwand. Suchend drehte er den Kopf in beide Richtungen. Die Kellertreppe - oder das, was davon noch übrig war- lag rechts von ihm. Er stöhnte innerlich auf, als er entdeckte, dass Schutt und Holzbohlen ihr oberes Ende blockierten. Unauffällig schaute er sich nach einem anderen Fluchtweg um.
Der Keller war viel größer als ursprünglich vermutet. Er erstreckte sich bis zur Rückseite des Hauses. Der größte Teil lag im Schatten. Als Pender das Halbdunkel mit den Blicken zu durchdringen versuchte, bemerkte er einige bewegte Körper, heller und viel größer als die Ratten ringsum.
Whittakers Aufschrei ließ Pender herumfahren. Der Tutor bewegte sich langsam rückwärts, hielt den Blick starr auf etwas gerichtet, das sich vor ihm befand. Seine Bewegungen waren abgehackt wie die eines Roboters. Der Lehrer öffnete und schloss immer wieder den Mund, stieß dabei wimmernde Laute aus. Er trat rückwärts in den Licht-kegel von oben, Sonnenstrahlen erhellten Kopf und Schultern. Er stolperte über eine Ratte, die zur Seite sprang, ohne ihn anzugreifen. Whittaker erlangte das Gleichgewicht wieder und setzte seinen Rückzug fort.
Plötzlich stieß er einen markerschütternden Schrei aus.
Aus der Dunkelheit warf sich ein schwarzer Körper auf ihn.
Pender erschien er riesig, viel umfangreicher als die anderen Ratten. Ein zweiter, gleich großer Schatten folgte dem Beispiel seines Artgenossen und griff ebenfalls an.
Whittaker ging unter dem Anprall zu Boden, versuchte krampfhaft, sich den ersten Feind mit den Händen vom Leib zu halten, und trat mit den Füßen nach dem zweiten Angreifer. Es war wie ein Wunder - als hätte ihm seine Furcht übernatürliche Kräfte verliehen: Die erste Ratte erwischte er mit einer Hand am Hals, brach ihr mit einer Drehung das Genick und schleuderte den zuckenden Körper von sich. Dann hieb er mit der Faust nach der zweiten Bestie, die sich an seinen Bauch krallte und ein Loch in den Schutzanzug zu beißen versuchte. Aus dem Dunkel schoss ein weiterer Riesenmutant und stürzte sich auf Whittakers ungeschütztes Gesicht. Dies schien für alle Ratten im Keller das Zeichen zu sein, den sich heftig zur Wehr setzenden Menschen anzuspringen.
Pender musste hilflos mit ansehen, wie Whittakers Körper unter einer Flut wogender schwarzer Leiber verschwand. Die Schreie des Tutors verwandelten sich in ein blutersticktes Gurgeln. Pender wollte vorstürmen, obwohl er wusste, dass es sein eigenes Todesurteil sein würde. Er konnte doch nicht einfach untätig mit ansehen, wie der Tutor auf solch schreckliche Weise starb. Doch eine hoch aufspritzende Blutfontäne aus dem wimmelnden Knäuel von Leibern sagte ihm,
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