Herbst - Ausklang (German Edition)
Fleisch und Knochen in die brutalen Wesen verwandelten, zu denen sie geworden waren. Jackson wagte nicht an die Zukunft zu denken, denn er wusste, wenn sich das Muster so fortsetzte – und er hatte keinen Grund zu der Annahme, dass es anders sein würde –, dann würden sie schon morgen noch gefährlicher sein. Stattdessen konzentrierte er sich auf den Umstand, dass sie bei gleichbleibender Verfallsrate in einigen weiteren Monaten wahrscheinlich völlig verwest sein würden. Jackson war nicht dumm. Er wusste, dass die Dinge zweifellos schlimmer werden würden, bevor sie sich besserten.
Während er allein in dem kleinen Haus stand, einer zerbrechlichen Oase der Normalität inmitten von Wahnsinn, kam Jackson der Gedanke, dass er zwar so gut wie alle anderen überlebt haben mochte, sein Leben jedoch im großen Gefüge der Dinge dennoch kaum mehr als ein flüchtiges Blinzeln darstellte. Die Menschheit war an einem Tag praktisch ausgelöscht worden, und er selbst würde wahrscheinlich nicht mehr lange durchhalten, doch es würde Jahrzehnte, vielleicht sogar Hunderte Jahre dauern, bis die letzten Spuren der menschlichen Rasse für immer verschwunden sein würden. Seine Haut und seine Knochen würden zu Staub im Wind geworden sein, lange, bevor die Straßen, über die er hierher gelangt war, von der Natur vollständig zurückerobert sein würden.
Der Gedanke ließ ihn sich so verdammt unbedeutend fühlen.
All die vor der Apokalypse in sein Leben investierten Bemühungen hatten nichts gezählt. Und das Schlimmste? Es hätte auch keine Rolle gespielt, wenn er sich zehnmal so intensiv oder überhaupt nicht bemüht hätte. Alles, was geschehen war, entzog sich völlig seiner Kontrolle. Jeder ist seines Glückes Schmied , hatte Jacksons alter Vater oft gesagt, wenn es nicht gut lief.
Ja, genau. Vielen Dank auch, Dad. Weitergereichte Binsenweisheiten und blödsinnige Floskeln werden mir nicht helfen, heute an den Leichen da draußen vorbeizukommen.
Jackson trödelte, was ihm nicht ähnlich sah. Sein Zögern, zur Tat zu schreiten, steigerte sein Unbehagen nur noch mehr. Es lag daran, dass sich der vor ihm liegende Weg nicht mehr klar abzeichnete. Bis vor Kurzem hatte er einen definitiven Plan gehabt: Er wollte nach Norden gehen, bis er jene Gefilde des Landes erreichte, in denen ursprünglich weniger Menschen gelebt hatten und wo die Auswirkungen der Katastrophe vielleicht weniger dramatisch sein würden. Als augenscheinlich geworden war, dass die Dinge erheblich schlechter standen als vermutet, und als sich das wahre Ausmaß des Chaos offenbarte, war er gezwungen gewesen, seine Prioritäten neu zu ordnen. Sein anfängliches Ziel war ihm zu ehrgeizig erschienen, und er hatte stattdessen beschlossen, nur den nächstgelegenen Küstenstreifen anzupeilen. Das Meer auf einer Seite zu haben, würde es einfacher gestalten, seine Stellung zu verteidigen, glaubte er. Außerdem sollte es durch den Ausblick auf den Ozean leichter sein, zu glauben, dass der Rest nicht völlig verheert war.
Vor drei Tagen hatte es sich Jackson erneut anders überlegt.
Die Überlegungen dazu begannen durch eine zufällige Begegnung mit einem anderen Überlebenden. Der junge Mann war der erste lebendige Mensch gewesen, den er seit mehreren Tagen angetroffen hatte. Der Archetyp eins zornigen Teenagers – lange Haare, Leder- und Jeanskleidung, Piercings und mehrere schlecht gemachte Tätowierungen, die er unweigerlich bereuen würde, sollte er lang genug leben. Adrenalin, Angst und ungeahnte Mengen aufgestauter sexueller Frustration strömten durch die Adern des Jungen, und ein Cocktail von Alkohol und Drogen schürte seine Reizbarkeit zusätzlich und unübersehbar. Jackson stieß im Turnsaal einer Schule auf ihn – vermutlich der Schule, die der Junge besucht hatte. Dort trieb er Leichen in ein provisorisches Gehege. Der kranke Scheißer hatte eindeutig tief verwurzelte Probleme – er versuchte, zwei, drei oder zehn Rechnungen mit einigen alten und äußerst toten Freunden zu begleichen. Er drosch auf die gefangenen Leichen ein und verstümmelte sie bis zur Unkenntlichkeit, als wollte er ihnen unbedingt etwas einbläuen. Kranker Mistkerl.
Nach einem halbherzigen Versuch, Kontakt aufzunehmen, ließ Jackson den Jungen weitertoben, da er zu dem Schluss gelangte, dass es nichts zu gewinnen gab, wenn man mit einem eindeutig Unvernünftigen vernünftig reden wollte. Es schien klar, dass keiner von ihnen davon profitieren würde, mit dem anderen zusammen zu
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