Herbstfraß
appellieren an seiner Moral. Später beteuern sie, wie großartig alles ist, und hoffen, dass er sie befreit, wenn sie sich auf seine Seite schlagen. Für wie dumm halten sie ihn nur?
„Lass mich gehen. Ich werde bestimmt niemandem etwas sagen.“
Als hätten seine Opfer alle dasselbe Drehbuch gelesen. Rambo grinst. Sie kennen das Spiel und sie spielen es perfekt mit. Jeder Einzelne von ihnen. Ganz ungewollt.
„Wir müssen es zunächst beenden“, sagt er.
„Was? Verdammt! Was?“ Der Junge schreit ihn an. Später würde er wieder winseln.
„Wir müssen das Spiel beenden. Dann lasse ich dich gehen.“ Er beginnt seine Hose aufzuknöpfen. Der Teenager weicht bis zum Ende seiner Kette zurück.
„Bitte nicht“, flüstert er. Ja, der Junge beherrscht das Drehbuch gut. Und er bringt seinen Text wirklich überzeugend heraus. Richtig mit Gefühl. Rambo hält in seinem Tun inne. Er liebt es, die Hoffnung in seinen Mitspielern zu wecken, er würde es sich tatsächlich anders überlegen.
„Ich habe Hunger“, sagt der Junge auf einmal völlig unerwartet. Seine blauen Augen glänzen in dem Licht der Campinglampe. „Willst du mich verhungern lassen? Oder glaubst du, von einer Flasche Mineralwasser werde ich satt?“
Die Lebensmittel hatte Rambo in seinem Eifer ganz vergessen, da er ausschließlich an den Spaß mit diesem Jungen gedacht hat. Wenn der Bengel krepiert, ist der Spaß vorzeitig vorbei. Fieberhaft überlegt er, zieht sein geliebtes Survival-Messer, hält die rutschende Hose mit einer Hand fest und tritt in die stinkende Ecke des Bunkers. Dort liegen unter anderem die Kadaver mehrerer Hunde und Katzen, an denen er seine Folterpraktiken geübt hatte. Schmerzen will er verursachen, aber nicht gleich töten. Die Kadaver sehen nicht mehr besonders appetitlich aus, lediglich sein letztes Opfer ist noch einigermaßen frisch. Mit dem scharfen Messer sägt und hackt er, bis er eine Hand abgetrennt hat. Die wirft er dem entsetzten Jungen in den Schoß.
„Mahlzeit.“ Er kichert, als sein Mitspieler wie ein kleines Mädchen kreischt und die verkrümmte Hand mit den dunkel verfärbten Nägeln von der Decke wischt, als wäre sie ein widerliches Insekt.
„Ich denke, du hast Hunger?“ Er hebt die verschmähte Hand auf und hält sie prüfend ins Licht, um anschließend ein wenig Staub von den steifen Fingern zu wischen. Zwei der Fingernägel fehlen und haben eine dicke, schwarze Blutkruste hinterlassen. Der Rest der abgetrennten Hand ist wächsern und hat blaue, beinahe lilafarbene Flecken. Rambos Hose rutscht bis zu den Knien herab und enthüllt eine pralle Erektion, die sich fest gegen den Stoff seines Slips Marke Feinripp drückt. Die Augen auf den wie vom Donner gerührten Jungen gerichtet schnappt Rambo zu. Seine Zähne graben sich in das tote Fleisch und reißen einen zähen Brocken heraus.
„Wir teilen“, entscheidet er kauend.
22:41 Uhr
Ich reibe mir die müden Augen und klappe das Notebook zu. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass es schon spät ist. Louisa ist bereits vor Stunden nach Hause gegangen und von Bo habe ich den ganzen Abend über nichts gehört. Unsicher steige ich die Treppe zu unserer Wohnung hinauf. Nirgends brennt Licht. Hat sich Bo etwa schon ins Bett verzogen? Ich steuere das Schlafzimmer an und schleiche mich hinein. Gleich darauf starre ich entgeistert unser Bett an. Dort, wo eigentlich Bo liegen sollte, befindet sich lediglich das nackte Laken. Die Bettwäsche meines Mannes fehlt. Das ist ja die Höhe! Trotzige Wut steigt in mir auf, als ich feststelle, dass Bo im Wohnzimmer Quartier bezogen hat. Offenbar war er zu faul, um im Gästezimmer die Tagesdecke und die ungenutzte Bettwäsche fortzuräumen. Bitte schön, soll er doch auf dem Sofa übernachten. Es kann ja wohl nicht angehen, dass Bo jemanden zusammenschlägt, den Psychopathen raushängen lässt, mir mit seinem Auszug droht und ich hinterher für eine völlig harmlose Frage bestraft werde.
Knurrend ziehe ich mich aus und marschiere nackt ins Bad. Die Tür werfe ich lautstark hinter mir zu. Es ist kindisch, befriedigt mich trotzdem ungemein. Rasch putze ich mir die Zähne und spucke anschließend den Zahnpastaschaum gegen den Spiegel, wobei ich mir vorstelle, dass es Bo ist, der mir da entgegenblickt. Diese Aktion ist noch kindischer, aber Bo hasst Zahnpastaflecke wie die Pest und ich bin gerade extrem angesäuert. Schnell spüle ich mir den Mund aus und kehre ins Schlafzimmer zurück. Auch diese Tür kracht mit
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