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Herbstfrost

Herbstfrost

Titel: Herbstfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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Vernichtung Befriedigung verschaffen konnte. Der Versuch, mit ihm zu
reden, wäre zwecklos gewesen.
    Piritz war ausgestiegen. Stapfte zügig über die Schneeverwehung. In
der Rechten hielt er Schremmers Pistole, in der Linken eine Stablampe. Angst,
blinde Wut und Mordlust sprachen aus jeder seiner Bewegungen. Bis zum zweiten
Baum über der Böschung, den die Flüchtenden eben erreicht hatten, waren es gut
dreißig Meter. Sehr steile dreißig Meter.
    Er leuchtete mit der Stablampe nach oben. Jacobi und Jutta hockten
hintereinander hinter dem dicken Stamm. Jacobi überlegte, in die Steilrinne
hinauszuspringen, ehe Piritz ihnen zu nahe kam. Vielleicht ließ sich so eine
kleine Lawine lostreten, die Piritz aufhielt. Sicher würde er sich dabei die
eine oder andere Kugel einfangen, aber er sah keine Alternative und war zum
Äußersten entschlossen.
    Plötzlich hörten alle drei das hochtourige Kreischen von
Zweitaktern. Motorsägen! Waren Forstarbeiter in der Nähe? Piritz war stehen
geblieben.
    Nein, das waren keine Motorsägen. Die auf- und abschwellenden
Geräusche näherten sich. Und das rasch. Dann sahen sie die Lichter weit vorn in
der Kurve. Scheinwerfer! Und schon rasten sie heran. Wie Wölfe eines
Hightechzeitalters jagten sie über den Schnee. Zwei, drei … fünf!
    »Ski-Doos!«, brüllte Jacobi. »Sie sind da, Jutta! Sie sind doch noch
gekommen!«
    Vor lauter Erleichterung hätte er beinahe ihre Deckung hinter dem
Baum vernachlässigt.
    Piritz tobte, schrie und weinte vor Wut. »Du verdammtes
Affengesicht!«, schäumte er mit überschnappender Stimme. »Alles aus! Alles im
Arsch, nur wegen eines Scheiß-Provinzbullen! Aber so kommt ihr mir nicht davon!
Euch nehm ich mit, ihr dreckigen Kakerlaken!«
    Er feuerte ein ganzes Magazin auf den Baum, hinter dem er seine
Todfeinde wusste. Keine der Kugeln traf.
    Inzwischen waren auch die Ski-Doos in Schussdistanz und hielten an.
    »Piritz! Bleiben Sie stehen und lassen Sie die Waffe fallen!«
    Jacobi erkannte das knorrige Pinzgauer Organ sofort. Tränen traten
ihm in die Augen. »Das ist Lorenz Redl vom MEK «,
sagte er zu Jutta, die ausgepumpt noch immer auf seinem Rücken hing. »Weiß der
Teufel, wo der jetzt herkommt. Hauptsache, er ist da!«
    Piritz dachte gar nicht daran, der Aufforderung Folge zu leisten. Er
rammte ein neues Magazin in die Steyr und stapfte keuchend weiter, doch die
Laserleuchtkegel dreier S t G  77
hatten ihn längst erfasst.
    »Das hat doch keinen Sinn mehr, Piritz!«, rief ihm Jacobi zu. »Sowie
Sie die Waffe heben, sind Sie ein toter Mann!«
    »Fick dich, du Arsch!« Piritz riss die Steyr hoch, bei den Ski-Doos
blitzte es auf, und der Vizepräsident der OSTBAU sackte in sich zusammen und fiel mit dem Gesicht nach unten in den Schnee.
    Die fünf MEK -Leute markierten mit
einer Phosphorfackel ihre Position, starteten ihre Ski-Doos und fuhren zu ihm hin.
Ein Sanitäter untersuchte ihn.
    »Exitus«, vermeldete er. »Drei Treffer. Einer in die Schulter, zwei
darunter ins Herz.«
    Redl nickte. »Ist gut, Lipp. Lass ihn so liegen und deck ihn mit
einer Plane zu. Die Alpingendarmerie wird bald da sein und alles aufnehmen.«
    Zwei MEK -Männer kämpften sich zur
Fichte hoch. Ehe sie die Geretteten erreichten, zog Jutta Jacobi am Hemdkragen
zu sich heran und küsste ihn auf den Mund. »Dank dir, du verdammtes
Affengesicht.« Auch ihre Augen waren nass.
    Die MEK -Beamten hüllten sie in Decken
und transportierten sie auf Planen vorsichtig zur Straße hinunter, wo man sich
sofort ihrer Füße annahm. Die Behandlung war schmerzhaft, aber wirksam.
    Redl trat zu ihnen. »War knapp diesmal, Oskar«, sagte er lakonisch,
lächelte aber dabei.
    Jacobi nickte mit wehleidig verzogenem Gesicht. »Kannst du laut
sagen. Dank dir, Lenz. Zigarette?« Und dann kopfschüttelnd: »Wie bist du
überhaupt hierhergekommen? Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu …«

DREIZEHN
    »Das konnte tatsächlich nicht mit rechten Dingen
zugegangen sein!«, platzte Nadine heraus. Die Aufregung hatte ihr Gesicht
gerötet. »Wie konnte Lenz wissen, wie es um Paps stand?«
    Es war zwanzig Uhr. Weider hatte vier Stunden lang erzählt. Nadine und
Alex hatten ihn kaum unterbrochen, aber jetzt suchte sich die Spannung der
letzten Minuten ein Ventil.
    Weider schielte nach der vierten Flasche Bleifrei, die zur Neige
ging. »Erinnert euch. Als ich Oskar um Viertel nach fünf die Vernehmung Sorges
durchgegeben habe, erfuhr ich so nebenbei, er sei auf dem Weg ins Seidlwinkltal
– aber

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