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Herbstfrost

Herbstfrost

Titel: Herbstfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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dabei näher kam oder nicht. Die Gefahr, im
zerklüfteten Bett der Ache zu landen, war zu groß.
    Schließlich hatten sie auch dieses abschüssige Straßenstück hinter
sich gebracht, und der Parkplatz war keinen Kilometer mehr entfernt.
    Da begann der Motor zu stottern, starb ab und ließ sich auch nicht
mehr starten. Kein Benzin mehr. Aus. Vorbei. Wie zum Hohn baute sich vor ihnen
auch noch eine meterhohe Schneeverwehung auf. Links die schroff abfallende
Klamm, rechts der extrem steile Bergwald – und hinter ihnen Piritz.
    Ihr Verfolger hatte gerade das Steilstück erreicht. Sie konnten den
Diesel brummen und die Automatik zurückschalten hören. In den nächsten zwei
Minuten würde Piritz den Quattro sehen.
    »Es ist gleich halb elf«, beschwor Jacobi die apathisch dasitzende
Jutta. »Willst du dich wirklich so kurz vor unserer Rettung noch erschießen
lassen – nur weil du nicht mehr in den Schnee hinauswillst?«
    »Wer sagt dir denn, dass sie um elf kommen? Weider hat was von einer
Stunde gesagt, und selbst das war gelogen, weil er uns nicht mit der Realität
konfrontieren wollte.«
    »Aber Piritz wird hier genauso wenig wie wir weiterkommen. Auch er
wird zu Fuß gehen müssen. Also nimm jetzt die Decke und komm. Ich trag dich
später huckepack, nur über die Verwehung musst du auf deinen eigenen Füßen.
Raus mit dir, oder muss ich erst grob werden?«
    Sie lächelte traurig. »Du gibst wohl nie auf, was? Bist einer von
der Sorte, an denen sich selbst die Käfer im Sarg noch die Zähne ausbeißen.«
Aber sie stieg aus.
    »Es wird nur am Anfang wehtun«, versuchte er sie zu trösten. »Später
spüren wir dann nichts mehr.«
    »Ja, später spüren wir dann wirklich nichts mehr«, wiederholte sie
tonlos, hüllte sich aber in die Decke und stakste hinter ihm her. Er bemühte
sich, große Stapfen für sie zu machen.
    »Übrigens haben Käfer keine Zähne, sondern Kiefer.« Er bekam keine
Antwort.
    Sie hörten den Mercedes jetzt extrem langsam fahren. Piritz schien großen
Respekt vor der abschüssigen Straße zu haben. Vielleicht blieb ihnen noch eine
Minute, bis er den Quattro sah.
    »Wir müssen da hinauf«, keuchte Jacobi und zeigte auf eine Rinne in
der bergseitigen Böschung. »Laufen wir die Straße entlang, dann holt er uns in
kürzester Zeit ein.«
    ***
    Schon nach wenigen Metern im Tiefschnee waren beide am Ende
ihrer Kräfte.
    »Das ist …« Jutta japste nach Luft. »Das ist viel zu steil. Bei dem Schnee kommen wir da nie rauf. Außerdem kann Leo uns
dort oben genauso erschießen wie auf der Straße …« Wieder musste sie
durchatmen. »Wir hätten im Wagen bleiben sollen. Da war es wenigstens warm und
trocken.«
    In diesem Augenblick rollte der G das letzte Steilstück
herunter. Längst hatte Piritz den abgestellten Quattro und die Flüchtenden
entdeckt.
    »Aber er muss noch aussteigen und uns nachklettern«, sagte Jacobi
mehr zu sich selbst als zu seiner Leidensgefährtin. Die Todesangst verlieh
ihnen noch einmal zusätzliche Kraft. Wiederholt rutschten sie ab, doch nach
einer Ewigkeit erreichten sie die unterste Fichte auf der Böschung und gingen
auf ihrer Hangseite in Deckung.
    Jacobis Lungen schmerzten, die Mokassins hingen ihm in Fetzen von
den Füßen. Juttas Zehen und Knöchel hatten wieder zu bluten begonnen, doch sie
jammerte nicht. Er nahm sie huckepack.
    Vielleicht schafften sie es ja noch bis zum nächsten Baum hinauf,
aber darüber sah es zunehmend trostlos aus. Nur noch Felsen und Steilrinnen.
Jeder Schritt konnte eine Lawine auslösen. Piritz hatte den Mercedes ein Stück
auf die Schneeriede hinaufgefahren, um mit den Scheinwerfern die Böschung
auszuleuchten, hütete sich aber davor, den Wagen in eine unmanövrierbare Position
zu bringen. Schließlich würde er ihn später brauchen, um die Leichen zu
entsorgen. Dass dies längst nicht mehr so spurlos vor sich gehen konnte, wie er
es ursprünglich geplant hatte, musste ihn vor Wut fast zerspringen lassen.
Sicher hatte er sich schon tausendmal dafür verflucht, Jacobi nicht gleich bei
seiner Ankunft im Jagdhaus erschossen zu haben. Nur durch seine Überheblichkeit
war er in diese Zwangslage geraten, und in naher Zukunft würde er ebenso tief
fallen wie Sorge, den er in den Tod getrieben hatte. Der Himmelsstürmertraum
des Parvenus Piritz war in dem Moment zerplatzt, als seine beiden letzten Opfer
Zeit gefunden hatten, mit der Außenwelt Verbindung aufzunehmen.
    Der Hass musste in ihm kochen wie Lava. Ein Hass, der sich nur durch
ihre

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