Herbstwald
Ríkislögreglustjóri Magnús Vater davon überzeugen, dass es für seinen Sohn vernünftiger wäre, die Karriere bei der Polizei nicht wegen einer Freundschaft wegzuwerfen, von der man nicht wissen konnte, wie lange sie außerhalb der amerikanischen Welt halten würde.
Magnús Vater hatte damals mit seinen guten Verbindungen über das Militär dafür gesorgt, dass Davídsson eine Arbeitsstelle bei der Amerikanischen Botschaft in Berlin bekam. Die Freundschaft zu Magnús hatte trotzdem gelitten. Sie hatten sich noch ein paarmal getroffen, bevor Davídsson nach Deutschland ausgewandert war, aber es war nicht mehr das gleiche vertraute Verhältnis wie früher gewesen. Irgendwann hatten sie dann nicht einmal mehr miteinander telefoniert.
Magnús hatte tatsächlich Karriere bei der isländischen Polizei gemacht. Davídsson hatte irgendwann im Internet gelesen, dass er mittlerweile zum Aðstoðaryfirlögregluþjónn befördert worden war und er wusste, dass das nur vier Prozent der Polizeianwärter jemals gelang.
»Du müsstest vermutlich noch ein bisschen trainieren und vielleicht noch einmal für ein paar Wochen nach Amerika«, sagte Ragna schließlich.
»Ich werde Zeit brauchen, um mich zu entscheiden.«
»Ja. Damit haben wir gerechnet.«
»Gut.«
»Hast du vor, in nächster Zeit nach Reykjavík zu kommen?«
»Ich denke darüber nach.«
13
D avídsson war nach dem Gespräch mit Ragna in den Spa-Bereich des Hotels gegangen. Er hatte plötzlich das Bedürfnis gehabt, die quälenden Gedanken aus seinem Körper zu schwitzen. Zunächst probierte er es damit, sich zehn Minuten auf einem Laufband auszupowern.
Normalerweise hielt er nichts von Fitnesscentern. Eigentlich hielt er nicht einmal etwas von Sport. Er sah zu Hause keinen Fußball und hatte sich in der Schule um den Sportunterricht gedrückt, wann immer es ging. Trotzdem hatte er einen schlanken Körper und breite Schultern. In den letzten Jahren war ein leichter Bauchansatz hinzugekommen, den er jedoch noch gut unter seinen Hemden verstecken konnte.
Nur beim Curling mit Marian Zajícek macht er eine Ausnahme. Nicht umsonst wurde diese Sportart auch als das Schach auf dem Eis bezeichnet. Es ging dabei weniger anstrengend zu als bei den meisten anderen Sportarten. Er hatte noch nie etwas von einem Sportunfall beim Curling gelesen und der älteste erhaltene Curlingstein der Welt stammt aus dem Mittelalter.
Nach dem Laufband entschied er sich für das osmanische Dampfbad und danach sorgte er am Eisenbrunnen für eine prickelnde Abkühlung, die seinen Kreislauf in einen kurzen Schockzustand versetzte, der endgültig alle Erinnerungen an diesen Tag aus seinem Kopf verdrängte.
Am anderen Morgen spürte er jede Faser seines Körpers. Die Marter des Vorabends zeigte ihre Spuren als Muskelkater in den Beinen und als Rückenschmerzen. Er hatte vergessen, sich vor dem Laufband aufzuwärmen, und versuchte das jetzt unter einer heißen Dusche nachzuholen.
Als er schließlich auf den Hotelflur trat, ging es ihm schon wieder etwas besser. Die Muskelverkrampfungen hatten sich unter dem warmen Wasser größtenteils gelöst. Übrig geblieben war eine fast erholsame Müdigkeit und ein leichtes Ziehen im Nacken.
Er hängte das rote ›Bitte nicht stören‹ Schild an die Klinke und wollte gerade zu den Aufzügen gehen, als er von einer asiatisch aussehenden Frau angesprochen wurde: »Wohnen Sie in diesem Zimmer?«
Davídsson musterte die Frau, die völlig akzentfrei mit ihm sprach. Sie war deutlich kleiner als er. Ihr Alter war kaum einzuschätzen. Der asiatische Mann, der in ihrer Begleitung war, hielt sich im Hintergrund.
Ólafur Davídsson nickte. Er fragte sich, was die Frage bezwecken sollte.
»Haben Sie eine gute Aussicht über die Stadt von diesem Zimmer?«
»Äh. Ja.«
Sie sagte etwas zu dem Mann, was Davídsson nicht verstand. Er überlegte, ob er weitergehen konnte oder ob noch so eine ungewöhnliche Frage auf ihn wartete.
»Entschuldigen Sie bitte. Ich bin Redakteurin von der Nippon Hōsō Kyōkai. Das ist die staatliche japanische Rundfunkgesellschaft. Wir wollen eine Reportage über die Stadt Augsburg drehen und sind deshalb auf der Suche nach einem guten Standort.«
»Aha.«
»Wir haben uns hier im Hotelturm ein Zimmer gemietet, weil wir dachten, dass wir von dort aus eine gute Aussicht haben und einen Schwenk über die Stadt drehen können. Leider ist unser Zimmer ziemlich weit unten und wir sehen nur Bäume und die Wiese.«
»Je höher Sie
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