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Hercule Poirots Weihnachten

Hercule Poirots Weihnachten

Titel: Hercule Poirots Weihnachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Haus. Poirot kam als Letzter. Er sah sehr ernst aus.
     
    Nach dem Mittagessen führte Alfred seine Nichte in sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich zu. Die anderen gingen ins Wohnzimmer. Nur Hercule Poirot blieb in der Halle stehen und betrachtete nachdenklich die Tür des Arbeitszimmers. Plötzlich bemerkte er, dass der alte Butler sich ihm näherte.
    «Ja, Tressilian? Was haben Sie auf dem Herzen?»
    Der alte Mann schien verwirrt zu sein.
    «Ich sollte – ich müsste mit Mr Lee sprechen, aber jetzt darf ich ihn wohl nicht stören, nicht wahr?»
    «Ist etwas passiert?»
    Langsam, als müsste er selber sich zwingen, seinen Worten Glauben zu schenken, antwortete Tressilian: «Es ist so eigentümlich. Vollkommen unbegreiflich…» Er zögerte. «Sie haben vielleicht bemerkt, Sir, dass zu beiden Seiten der Haupteingangstür eine Kanonenkugel angebracht ist – schwere, runde Steine. Und jetzt ist einer fortgenommen worden, Sir!»
    Hercule Poirot runzelte die Stirn. «Wann?»
    «Heute Morgen waren sie noch beide dort, Sir. Darauf kann ich einen Eid schwören.»
    «Kommen Sie.»
    Sie gingen zusammen zur Eingangstür. Poirot bückte sich und betrachtete die eine Kanonenkugel von allen Seiten. Als er sich wieder aufrichtete, war sein Gesicht todernst.
    «Wer sollte ein solches Ding stehlen, Sir? Das ist doch sinnlos!», stammelte der alte Diener.
    «Das gefällt mir nicht», murmelte Poirot, «das gefällt mir ganz und gar nicht.»
    Tressilian sah ihm ängstlich ins Gesicht.
    «Was ist bloß über dieses Haus gekommen, Sir?», fragte er verzweifelt. «Seit der Herr ermordet worden ist, scheint es vollkommen verändert zu sein. Mir ist immer, als würde ich in einem Traum leben. Ich verwechsle Sachen und habe oft das Gefühl, als könne ich meinen eigenen Augen nicht mehr trauen.»
    Hercule Poirot schüttelte den Kopf.
    «Nein, das ist falsch. Just Ihren Augen müssen Sie Glauben schenken, Tressilian!»
    «Nein, nein, Sir! Meine Sehkraft lässt nach. Ich spüre es doch ganz deutlich. Manchmal verwechsle ich sogar Leute miteinander. Ich werde zu alt für meinen Beruf.»
    Poirot klopfte ihm auf die Schulter. «Kopf hoch!»
    «Danke, Sir. Sie meinen es gut, ich weiß. Aber so ist es nun einmal: Ich bin zu alt. Immer wieder denke ich an die früheren Zeiten und sehe Miss Jenny, Master Alfred und David als junge Menschen. Seit jener Nacht, da Mr Harry heimkam…»
    «Das ist es», nickte Poirot. «Daran habe ich eben auch gedacht. Vorhin sagten Sie: ›Seit der Herr ermordet worden ist‹ – aber die Sache begann früher. Seit Mr Harry heimgekommen ist, hat sich hier alles verändert und scheint unwirklich geworden zu sein. Habe ich nicht Recht?»
    «Doch, Sir. Mr Harry hat immer Unruhe ins Haus gebracht, schon in alten Zeiten.» Seine Augen schweiften zu dem leeren Steinsockel zurück. «Wer kann die Kugel weggenommen haben, Sir?», flüsterte er. «Und weshalb? Ich komme mir vor wie in einem Irrenhaus.»
    «Hier liegt nicht Irrsinn vor, fürchte ich», antwortete Poirot bedrückt. «Im Gegenteil, jemand geht sehr klug und überlegt zu Werke. Und jemand, Tressilian, ist in großer Gefahr.»
    Er wandte sich um und ging ins Haus zurück.
    In diesem Augenblick kam Pilar aus dem Arbeitszimmer. Ihre Wangen hatten rote Flecken. Sie trug den Kopf sehr hoch, und ihre Augen funkelten.
    Als Poirot auf sie zukam, stampfte sie plötzlich mit dem Fuß auf und sagte: «Ich werde es nie annehmen!»
    Poirot hob die Augenbrauen. «Was denn, Mademoiselle?»
    «Alfred hat mir eben mitgeteilt, dass ich den Anteil meiner Mutter aus der Erbschaft bekommen soll.»
    «Und?»
    «Rechtlich hätte ich keinen Anspruch darauf, hat er mir erklärt, aber er, Lydia und die anderen seien der Ansicht, dass dieser Anteil mir gehöre. Es sei eine Frage der Gerechtigkeit, und sie wollten mir das Geld also aushändigen.»
    «Ja, und?», fragte Poirot wieder.
    Pilar sah ihn aufgebracht an.
    «Verstehen Sie denn nicht? Sie wollen mir das Geld geben - geben! »
    «Das kann doch Ihren Stolz nicht verletzen? Wenn es wirklich eine Frage der Gerechtigkeit ist, dass Sie diesen Anteil bekommen?»
    Pilar seufzte auf. «Ach, Sie verstehen mich nicht.»
    «Ich verstehe Sie im Gegenteil sehr gut», sagte Poirot.
    «Ach was», stieß Pilar hervor und drehte sich ärgerlich um. Die Hausglocke läutete. Poirot sah über die Schulter zurück und erblickte die Silhouette von Inspektor Sugden durch die Milchglasscheibe. Hastig fragte er Pilar: «Wohin gehen Sie

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