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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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lassen die unseren vor Verlangen brennen.“
    „Als locke Satan uns vom Pfad der Rechtschaffenheit und zum Bruch der Zehn Gebote …“
    „… in denen es heißt“, und sie sprachen gemeinsam weiter: „Du sollst nicht ehebrechen und Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut!“
    „Bis jetzt hat die Wollust nur von unseren Augen Besitz ergriffen“, erklärte Maritha.
    „Aber auch das ist eine Sünde“, beeilte sich Mariko hinzuzufügen, als wollte er jeden Zweifel der Zuhörer, wie ernst sie ihren Kampf gegen diese Versuchung nahmen, im Keim ersticken.
    Die Gemeinde betete, dem Paar möge Kraft zuteil und der Teufel der Wollust vernichtet werden. Nach Beendigung des Gottesdienstes führte Bischof Tireless Kanogori, ihr Bruder in Christi, ein offenes Gespräch mit beiden und ermahnte sie, standhaft zu bleiben und immer daran zu denken, dass Satan damals, als Christus allein, hungrig, durstig und erschöpft in der Wüste saß, eben diesen Augenblick wählte, ihn vierzig Tage und Nächte zu versuchen. Jesus musste mit zahlreichen Begierden kämpfen, aber er blieb standhaft, mutig und rechtschaffen, und schließlich besiegte er Satan; und es war dieser große Kampf mit dem Versucher, der Christus darauf vorbereitete, seine Rolle als Erlöser aller Sünder zu übernehmen. „Also bedenkt,“ fuhr er fort, „wie glücklich ihr euch schätzen könnt, nicht vierzig Tage und Nächte lang mit Satan allein in der Wildnis mit heulenden Winden und wilden Tieren zu sein, noch immer füreinander da zu sein, hier in eurem Zuhause in Santalucia, und dass wir alle euch beistehen und dem Versucher zurufen: ,Hebe dich hinweg, Satan!‘“ Und die drei stimmten eine Hymne an:
    Die Engel des Bösen werden kommen
    Und Satan wird erscheinen
    Doch meine Seele ist gewappnet mit dem Glauben

    Ich werde ihn zur Strecke bringen
    Ich werde zuschlagen und ihm sagen
    Hebe dich hinweg, Satan
    Niemals werde ich dir folgen
    Aber selbst da ließ Satan sie nicht in Ruhe, und jeden Sonntag berichteten Maritha und Mariko der Gemeinde schaurigere Geschichten darüber, wie Satan ihnen in den vergangenen sieben Tagen und Nächten in den unterschiedlichsten Verkleidungen auf Schritt und Tritt gefolgt war und gerissen wie eh und je versucht hatte, ihre Lust nach dem Fleisch anderer Menschen anzustacheln. Die Kathedrale war der einzige Ort, an dem sie sich vor ihm sicher fühlten. An jedem anderen Ort tauchte er auf, vor allem, wenn einer von beiden allein zu Hause schlief oder allein durch die Stadt ging. Sie fochten einen heldenhaften Kampf, und Zeugnis über Satans Taktik abzulegen, war eine Möglichkeit, ihm zu begegnen. Wenn Satan ihnen mit schwerem Geschütz kam, so wollten sie sich wenigstens mit diesen bescheidenen Mitteln zur Wehr setzen. Es war ihre größte Angst, dass Satan einen von ihnen allein in einer dunklen Gasse erwischen könnte, weshalb sie unzertrennlicher waren als je zuvor.
    Die Geschichte war sehr bewegend, und jeden Sonntagmorgen kamen mehr Menschen in die All Saints Cathedral, um der jüngsten Episode über das tägliche Ringen von Maritha und Mariko mit Satan zu lauschen. Die Kathedrale wurde zu einem beliebten Ort, der sich jeden Sonntag bis auf den letzten Platz mit Menschen füllte, die begierig auf die pikanten Einzelheiten aus dem wollüstigen Leben des Paares und seines Kampfes mit Satan waren. Die Kathedrale war so voll, dass man nicht einmal mehr stehen konnte und viele sich deshalb einfach vor der Tür und den Fenstern versammelten, um wenigstens den einen oder anderen Blick auf das heldenmütige Paar zu erhaschen, wenn es seine Geschichte erzählte.
    Natürlich landete diese Geschichte auch auf den Schreibtischen der Nachrichtenredakteure, und einer Zeitung, dem Daily Gossip, gelang es, die Auflage beträchtlich zu steigern, indem sie Versionen von Marithas und Marikos Fortsetzungsbeichte abdruckte. So wurde der Krieg gegen Satan das vorrangige Gesprächsthema in den Straßen, auf den Märkten, in den Einkaufszentren und Bars. Wann und wo immer sich junge Männer und Frauen begegneten, begrüßten sie einander halb im Scherz: O, mein Lieber, du hast mich mit einem ernsten Fall von Maritha und Mariko infiziert, oder: Ich empfinde Maritha und Mariko für dich, meine Liebe – was sagst du dazu?
    Für die Einwohner von Eldares, vor allem für die aus Santalucia, wurde die Geschichte von Maritha und Mariko und ihres heldenhaften Kampfes gegen den Satan der Wollust wichtiger als die Ankunft der

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