Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
Vom Netzwerk:
Global-Bank-Delegation zur Prüfung der Finanzierbarkeit von Marching to Heaven. Wie ein einfacher Mann und eine einfache Frau sich dem mächtigen Satan entgegenstellten, an dieser Geschichte entzündete sich ihre Phantasie, und sie waren begierig darauf zu erfahren, wie alles enden würde.

12
    Am vierzigsten Tag nach Marithas und Marikos erster Beichte über die Heimsuchung durch den Teufel strömten die Menschen zur All Saints Cathedral wie nie zuvor. Anlass war die Zahl Vierzig. Nach dieser Anzahl von Tagen war Jesus aus der Wüste heimgekehrt und hatte Satan besiegt. Als aber Maritha und Mariko vor Gott Zeugnis ablegten und bekannten, dass Satan ihnen noch immer nachstellte, waren die Leute, besonders die jungen, verwirrt und einige sogar wütend. Warum hatte sich Satan nicht mit seinesgleichen in der Hölle angelegt, anstatt Maritha und Mariko mitleidlos zu verfolgen? Vor allem Satans Feigheit brachte sie auf: sich an alte Menschen wie Maritha und Mariko heranzumachen, wenn einer von beiden allein oder gerade am Einschlafen war. Satan ist ein übler Maulheld, sagten sie. Hierher traut er sich nicht.
    Andere warnten die Gemeinde vor Überheblichkeit. Der einzige Grund, warum Satan es nicht gewagt habe, den heiligen Boden zu entweihen, liege in der Erinnerung daran, wie schmachvoll Bischof Tireless Kanogori ihn vor wenigen Monaten ausgetrieben habe.
    Die jungen Leute, vor allem diejenigen, die erst vor Kurzem zum Glauben gekommen waren, nahmen die Herausforderung an und blieben nach dem Gottesdienst zusammen, um sich zu beraten. Sie schworen, für Santalucia zu tun, was der Bischof für die All Saints Cathedral geleistet hatte. Jede Ecke, jeden Winkel in Santalucia wollten sie durchsuchen, um Satan aufzustöbern. Selbst wenn es ihnen nicht gelänge, ihn zu fangen, sollte er sich wenigstens vor Angst in die Hose machen.
    Sie gaben sich den Namen Soldaten Christi und schworen, den Kampf nicht aufzugeben, bis der Teufel Maritha und Mariko in Frieden ließ. Die Bibel sollte ihr Schild sein, das Gesangbuch ihre Nahrung, das Kreuz sowohl Gehstock als auch die Geißel, mit der sie Satan vertreiben wollten. Das Böse musste gehen oder zum Gehen gezwungen werden. Sie stimmten eine Kampfeshymne an, in der sich Ruf und Antwort ablösten:
    Wohin zieht ihr
    Mit Kost und einem Stab als Waffe?
    Wir sind Pilger auf dem Kriegspfad
    Im Kampf gegen Satan und die Seinen.
    Voller Hoffnung und mit dem Vertrauen, dass andere junge Männer und Frauen ihre Fanfare hören und sich ihrer Jagd auf Satan anschließen würden, zogen sie los.

13
    Die Soldaten Christi wussten anfangs nicht genau, wo und wie sie die Jagd beginnen sollten.
    Touristen, Bettler, Prostituierte verfolgten sich tagsüber gegenseitig auf den Straßen und trafen sich abends vor den Sieben-Sterne-Hotels erneut. Es war, als gehörten diese Luxusschreine gleichermaßen den Reichen, den Touristen, den Bettlern und den Huren, mit einem wesentlichen Unterschied: Nachts blieben die Reichen, die Touristen und die Prostituierten drinnen, während sich die Bettler draußen wiederfanden und Regen oder Kälte erdulden mussten. Sobald aber der Tag anbrach, waren sie alle wieder vereint.
    Jeder Bettler beherrschte ein paar Brocken Englisch, Deutsch, Japanisch, Italienisch und Französisch, hauptsächlich aber sprachen sie Kiswahili. Helft den Armen. Saidia Maskini. Baksheesh . Einige musizierten auf selbstgebauten Gitarren und Trommeln, andere führten Sketche auf, die manchmal belustigten Touristen etwas Kleingeld aus der Tasche lockten. Sie versuchten, sich auf den Straßen zu postieren, wo die meisten Touristen unterwegs waren, was zu einem großen Gedränge um den besten Standort führte.
    Manchmal fiel die Polizei über die Bettler her, aber das war nur Theater, denn die Gefängnisse in Aburĩria waren schon überfüllt. Die meisten Bettler wären glücklich gewesen, wenn man sie eingesperrt hätte, weil es im Gefängnis ein Bett und etwas zu essen gab. Auch musste die Regierung sich davor hüten, dem Tourismus zu schaden, indem sie zu viele Bettler von den Straßen fegen ließ. Schnappschüsse von Bettlern oder wilden Tieren, die die Touristen nach Hause schickten, waren der Beweis, tatsächlich in Afrika gewesen zu sein. Wilde Tiere gab es in Aburĩria wegen der Wilderei und den schwindenden Wäldern allerdings immer weniger, sodass Bilder von Bettlern oder Kindern mit Kwashiorkor, entzündeten Augen und Fliegen, die ihnen an den Rotznasen saßen, als Inbegriff der

Weitere Kostenlose Bücher