Herr der Krähen
Sikiokuu hat nicht klar gesagt, was er von mir erwartet.“
„Wie klar soll er sich denn noch ausdrücken, nach dem was du mir über seine Fragen zu Machokali erzählt hast?“
„Er hat Machokalis Namen nicht einmal erwähnt. Er war übervorsichtig und hat in Rätseln zu mir gesprochen über einen Anhänger des ungläubigen Thomas, einen Franzosen namens Descartes. Dann meinte er, ich solle gehen und tiefgründiger über mein Verlangen nachdenken, weiß sein zu wollen.“
„Begreifst du nicht: Er will nur, dass du mit eigenen Worten erklärst, es hätte dich jemand anderer mit dem Weiß-Wahn angesteckt. Wen kannst du herausgreifen und von ihm behaupten: Der und der hat mich angesteckt oder der da ist der Träger der Krankheit? Gibt es irgendjemanden unter denen, die du deine Freunde nennst, der nicht an dieser Krankheit leidet, an dieser weißglühenden Gier hinter der eigenen Ich-Bezogenheit? Der Mann hatte völlig recht, dich aufzufordern, über die Bedeutung und Auswirkung dessen nachzudenken, was du gesagt hattest. Was willst du machen, wenn du mit dem Grübeln fertig bist?“
„Genau das will ich wissen. Was soll ich machen?“
„Befrag dich zuerst einmal selbst.“
„Natürlich muss man sich fragen, wo die eigenen Interessen liegen und wie man sie am besten schützt.“
„Ich meine, du sollst in dein Herz schauen, herausfinden, warum du hier gelandet bist.“
„Ich hab mich nicht selber eingesperrt.“
„Wer dann?“
„Ich will Ihnen eins sagen: Sikiokuu und Kaniũrũ sind meine Feinde. Sie wollen mich im Gefängnis sterben lassen. Und warum? Weil Sie nicht wollen, dass ich weiterhin der Vorsitzende von Marching to Heaven bin. Sie wollen mich beseitigen, bevor die Arbeiten beginnen. Sie wollen den Profit des ganzen Projekts allein einstreichen. Aber die sollen mich kennenlernen. Die haben keine Ahnung, mit wem sie es zu tun haben, Mr. Herr der Krähen. Helfen Sie mir. Bitte helfen Sie mir, aus diesem Gefängnis herauszukommen, und ich werde Ihnen das nie vergessen.“
„Aus welchem Gefängnis willst du herauskommen?“
„Mr. Herr der Krähen, das ist eine ernste Angelegenheit. Wie viele Gefängnisse sehen Sie denn, wenn Sie sich umschauen?“
„Zwei. Ein Gefängnis der Seele und eines für den Körper.“
„Dann bringen Sie die Mauern dieser Gefängnisse mit der Macht Ihres Spiegels zum Einsturz!“
„Ich habe meinen Spiegel nicht dabei.“
„Oh!“, stöhnte Tajirika verzweifelt.
„Wie wär’s, wenn wir uns unseren eigenen Spiegel schaffen?“, fragte der Herr der Krähen plötzlich.
„Wie denn?“
„Mit unseren Seelen. Gibt es einen großartigeren Spiegel als den Spiegel der Seele?“
„Wie Sie meinen.“ Tajirika war glücklich darüber, dass der Herr der Krähen jetzt davon sprach, einen Spiegel zu verwenden, irgendeinen Spiegel, egal, woher der kam.
„Schließ die Augen … Stell dir Sikiokuu und Kaniũrũ vor.“
Er will mir helfen, indem er die Macht der beiden Kerle außer Gefecht setzt, sagte sich Tajirika, während er mit aller Kraft versuchte, sich Sikiokuu und Kaniũrũ vorzustellen. Aber die Bilder im dunklen Spiegel seiner Seele wollten nicht stillstehen.
„Erst sehe ich sie und dann wieder nicht“, sagte Tajirika. „Sie entgleiten mir ständig.“
„Es ist nicht schlimm, wenn die Bilder undeutlich sind“, erklärte der Herr der Krähen. „Und jetzt zeig auf die, die das Land führen. Zeig mir, wo sie sind.“
Das ist ja leicht, dachte Tajirika, streckte die Hand aus und deutete in die Ferne. Doch der Finger bewegte sich wie die Bilder vor seinem geistigen Auge.
„Dort drüben“, sagte Tajirika, der immer noch unbestimmt nach vorne zeigte.
„Bleib so“, sprach der Herr der Krähen. „Jetzt mach die Augen auf. Und zeig weiter auf die Bestechlichen und Gierigen.“
Tajirika tat, wie befohlen. Sein Herz hämmerte vor Freude über den unmittelbar bevorstehenden Tod seiner Feinde, dieser gierigen und korrupten Straßenräuber.
„Und nun schau deine Hand ganz genau an: Ein Finger zeigt auf deine Feinde, aber die anderen drei zeigen auf dich.“
„Ich verstehe nicht ganz.“
„Was verstehst du nicht? Erinnerst du dich noch an die Kindergeschichte über die fünf Finger, die sich aufmachen, jemanden auszurauben? Pinky sagt: ‚Los, gehen wir.‘ – ‚Wohin? Was wollen wir tun?‘, fragt der Finger daneben. – ‚Stehlen‘, spricht der Mittelfinger. – ‚Was, wenn man uns erwischt?‘, will der vierte Finger wissen. – Und weißt du,
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