Herr der Krähen
was der Daumen sagt?“
„Ich gehöre nicht dazu“, antwortete Tajirika, nahm die Rolle des Daumens ein und lachte schließlich.
„Deshalb ist der Dicke noch heute von den anderen vier Fingern getrennt. Ein Dieb steht getrennt von den anderen und zeigt auf …“
Tajirika betrachtete wieder seine Faust. Es stimmte, der Zeigefinger und drei andere zeigten in eindeutige Richtungen. Wohin und auf was deutete der Daumen? Das ließ sich nicht sagen. Doch plötzlich glaubte er zu wissen, worauf der Herr der Krähen hinauswollte.
„Man kann also sogar aus Kindergeschichten noch das eine oder andere über den Lauf der Welt lernen“, sagte er aufgeregt. „Mr. Herr der Krähen, ich weiß jetzt, was Sie mir verdeutlichen wollen: Es ist wie mit diesen vier Fingern – die Dummen vertreten eindeutige Positionen. Jeder weiß, wo sie stehen. Ich war immer zu einseitig bei der Auswahl der Leute, mit denen ich mich umgab. Ich sollte in Zukunft besser das trügerische Auftreten des Daumens einnehmen. Haben Sie vielen Dank, Mr. Herr der Krähen, tausend Dank.“
„Kein Wunder, dass Jesus weinen musste!“, sprach der Herr der Krähen laut, als würde er mit sich selbst reden. Er war sichtlich verzweifelt.
„Warum reden Sie davon, dass Jesus geweint hat?“, fragte Tajirika, verwirrt über die Gedankengänge des Herrn der Krähen. Jetzt hatte er es also mit der Bibel.
„Weil er den Leuten Wahrheiten gesagt hat und sie nicht hörten, obwohl sie Ohren hatten. Er zeigte ihnen Dinge, und obwohl sie Augen hatten, sahen sie nicht.“
Er verwendet sogar die Heilige Schrift für seine Riten. Deshalb ist sein Zauber so mächtig, dachte Tajirika. Wenn er es sich in den Kopf gesetzt hat, dann gibt es nichts, was den Herrn der Krähen davon abhalten kann, etwas für Leute wie mich zu tun.
„Und deshalb heißt es auch, selbst Gott kann nur denen helfen, die sich selbst helfen“, sprach der Herr der Krähen.
„Mr. Herr der Krähen, wie soll ich mir helfen, damit Sie mir helfen können?“, fragte Tajirika ermutigt.
„Noch einmal: Schau in dein Herz. Sieh dir an, was in dir ist.“
„Wie denn?“
Dieser Mann denkt nur an sich, dachte der Herr der Krähen. Er hört und sieht nur das, was er will. Kamĩtĩ wa Karĩmĩri, der Herr der Krähen, wurde zornig, sehr zornig.
Er hatte nicht vergessen, wie Tajirika ihn auf dem Gelände der Eldares Modern Construction and Real Estate gedemütigt hatte; dann und wann überkam ihn die Erinnerung daran. Er hatte nie geglaubt, dass ein Mensch sich einem anderen gegenüber so böse und arglistig verhalten könnte. Kamĩtĩ hatte zwar längst beschlossen, sich nicht zu rächen, weil das den Unterschied zwischen ihm und Tajirika aufheben würde. Diskutiere nicht mit einem Trottel, besagte das Sprichwort, denn die Leute könnten den Unterschied nicht bemerken.
Aber jetzt beschloss er, dem Gedächtnis des Mannes ein wenig auf die Sprünge zu helfen und ihn an ihre erste Begegnung zu erinnern. Er wollte herausfinden, ob Tajirika sich inzwischen schämte. Menschen wie ihm, die so ichbezogen waren, musste man die Dinge direkt ins Gesicht sagen.
„Soll ich dir eine Geschichte erzählen?“, fragte er Tajirika.
„Ja“, antwortete Tajirika. „Ich hör sie mir gern an, wenn sie Ihnen hilft, mich ganz schnell aus diesem Gefängnis rauszukriegen.“
„Was dieses Gefängnis angeht, bin ich mir nicht so sicher, aber wenn du der Geschichte aufmerksam lauschst, könnte sie dir helfen, dich aus einem Gefängnis zu befreien, das viel größer ist als dieses aus Stein und Eisen.“
„Ich wusste es. Ich wusste, dass Sie deshalb gekommen sind. Ich wusste, dass Sie mich niemals in diesem Gefängnis hätten verrotten lassen. Also erzählen Sie bitte Ihre Geschichte, fangen Sie sofort an, und ich verspreche Ihnen, ich werde mir nicht einmal ein Hüsteln erlauben, das Sie unterbrechen könnte.“
14
„Hast du je von Mahabharata, Ramayana oder Bhagavad Gita gehört? Die drei, oder sagen wir besser die zwei, weil die Gita ein Kapitel im Mahabharata ist, sind die Schlüsseltexte der Religion, Kultur, Geschichte und Philosophie der Inder. Sie wurden in Sanskrit verfasst, der alten Sprache Indiens, die aber wie Latein, Altgriechisch, Ge’ez und Sabäisch längst tot ist.
Das Mahabharata erzählt von einem Krieg zwischen Kurus und Pandavas, zwei Zweigen ein und derselben Familie. Arijuana, der Held der Pandavas, ist ein hervorragender Bogenschütze, von dem man sagt, er könne mit seinem Pfeil ein Ziel
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