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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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Fälle nur auf der Grundlage einer Geschichte des Klägers, vor allem, wenn dieser nicht einmal anwesend ist.“
    „Dann geben wir ihm die Chance, sich zu verteidigen.“
    Sie erlaubten ihm, sich wieder zu setzen, schärften ihm aber ein, keine Verachtung an den Tag zu legen, sonst …
    „Hört mich an“, sagte er in einem aufgesetzt respektvollen Ton. „Ich weiß nicht, wer ihr seid. Und ich weiß noch nicht einmal, wer mich beschuldigt, meine Frau verprügelt zu haben. Vinjinia und ich sind eines der glücklichsten Paare dieser Welt. Ich glaube nicht an häusliche Gewalt. Wir sind Christen und gehören zur Mittelklasse. Wisst ihr, Frauen verprügeln, das ist etwas für arme Heiden, für Leute, die nicht verstehen, was es heißt, modern zu sein. Ich vermute, dass all das Gerede, ich hätte meine Frau verprügelt und was sonst noch alles, entstanden ist, weil einige Nachbarn meine Frau mit geschwollenem Gesicht und ein paar Kratzern gesehen haben. Sie ist ausgerutscht und auf den Zementfußboden gefallen. Ihr seid selbst Frauen und wisst, wie tollpatschig ihr manchmal seid. Ich verachte diese Nachbarn, die nichts Besseres zu tun haben, als ihre Nasen in die Angelegenheiten anderer Leute zu stecken.“
    „Es gibt nur zwei Menschen, die wissen, was geschehen ist. Du und deine Frau. Du sagst, sie sei tollpatschig und auf den Zementfußboden gefallen. Deshalb fragen wir dich: Sollen wir sie vorladen?“
    Tajirika war sprachlos. Das war das Letzte, was er erwartet hatte: eine Vorladung seiner Frau. Aber er glaubte, Vinjinia würde nie zu völlig Fremden etwas Unpassendes über ihre häuslichen Angelegenheiten sagen. Die Vinjinia, die er kannte, war der Schlüssel zu seiner Freiheit, und er war überzeugt, dass sie ihm zur Seite stehen würde.
    „Ja, ruft sie her“, rief er prahlerisch.
    „Beschreib uns den Weg und sag uns, wie sie aussieht“, sagte eine der Frauen, um zu zeigen, dass sie sich nicht mit Vinjinia verschworen hatten. „Wir wissen nur über dich Bescheid.“
    Ungefähr eine Stunde später war Vinjinia da. Die Frauen setzten sie ihrem Mann gegenüber. Eine übernahm den Vorsitz. Die anderen waren die Geschworenen. Vinjinia hatte den Kopf mit einem Tuch bedeckt. Aus ihren Augen sprach Angst, und sie vermied es, ihren Mann direkt anzuschauen. Tajirika warf ihr einen strengen Blick zu, den er hinter einem falschen Lächeln zu verbergen suchte.
    „Sag ihnen die Wahrheit, dass ich dich nicht angefasst habe“, beeilte sich Tajirika zu sagen, bevor die Vorsitzende etwas äußern konnte. „Stimmt es nicht, dass dein Gesicht geschwollen ist, weil du auf den Zementfußboden gefallen bist?“
    Die Richterin forderte sie auf, nun ihrerseits die Wahrheit zu sagen. Die Stille im Raum war drückend. Vinjinia schaute kurz zu Tajirika, dann auf die Frauen und sah schließlich zur Seite.
    „Ich bin auf den Zementfußboden gestürzt“, sagte sie mit kaum hörbarer Stimme.
    Die Frauen waren verblüfft. Tajirika gab sich keine Mühe, seinen Triumph zu verbergen.
    „Da habt ihr es“, krähte er arrogant heraus.
    „Dann gibt es in dieser traurigen Angelegenheit nichts mehr zu sagen“, meinte die Richterin.
    Tajirika wünschte sich, er hätte die Mittel, sich sofort an diesen Frauen zu rächen. An der Tür legte er den Arm um seine Frau und flüsterte: „Gut gemacht. Nur ein einziges falsches Wort, und die letzte Tracht Prügel wäre nichts gewesen im Vergleich zu der, die ich dir heute Abend verpasst hätte.“
    Vinjinia schauderte. Damit war er zu weit gegangen. Wenn er ihr gleich nach der Anhörung durch diese Frauen drohen konnte, wozu war er dann zu Hause fähig? Wenn sie schon sterben musste, dann sollte es wenigstens vor Zeugen geschehen. Sie wand sich schnell aus seinem Arm und drehte sich um.
    „Es tut mir leid“, sagte sie zur Richterin. „Ich habe Sie angelogen und ich habe mich selber belogen, indem ich für meinen Mann gelogen habe. Dieser Mann schlägt auf mich ein, wann immer ihm danach ist. Wenn er an seinem Arbeitsplatz oder in einer Bar eine Meinungsverschiedenheit mit jemandem hat, lässt er es an mir aus. Das Herz meines Mannes ist so hart wie ein Betonfußboden.“
    Tajirika verlor die Beherrschung. Sie hatte seine Männlichkeit verraten. Er fiel über sie her und wollte losprügeln, aber die Frauen waren schneller. Sie hielten ihn zurück, noch bevor er den ersten Schlag anbringen konnte. Doch selbst, als sie ihn von seiner Frau fortzerrten, drohte Tajirika ihr noch mit erhobenem

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