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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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und sich deshalb vor dem Zauberer sicher zu fühlen.
    Tajirika hatte von der jüngsten Wendung in der Geschichte über den Herrn der Krähen keine Ahnung und hätte es ohnehin nicht geglaubt, wenn man ihm mitgeteilt hätte, der Zauberer befände sich jetzt auf Geheiß des Herrschers in Amerika. Ihn interessierte allein Sikiokuus Befehl an den Hexenmeister, den über ihn gelegten Zauberbann sowie alle kurzfristigen wie langzeitigen Nebenwirkungen aufzuheben.
    Er freute sich auf die bevorstehende Rückkehr des Herrschers. Sikiokuu hatte ihm versprochen, den Vorsitz von Marching to Heaven mit allen Befugnissen, einschließlich derer, die sich Kaniũrũ unrechtmäßig einverleibt hatte, zurückzuerhalten. In Sikiokuu hatte er wirklich einen neuen Freund gefunden, und wann immer sich Erinnerungen an seine alte Freundschaft mit Machokali vordrängten, schob er sie schnell beiseite. Manchmal aber ließen sie sich nicht wegschieben, und er nahm sich die Zeit, um über die Situation nachzudenken und sich zu fragen: Was werde ich tun, wenn Machokali zurückkommt?
    Nicht, dass diese Frage ihm schlaflose Nächte bereitete. Tajirika war stolz darauf, in allem, was sein eigenes Überleben sicherte, anpassungsfähig zu sein. Er schwamm mit dem Strom und nicht gegen ihn. Seine Beziehung zu seinem ehemaligen Freund und Wohltäter würde von der jeweiligen Stärke von Machokali und Sikiokuu im Spiel um die Macht abhängen. Sollte sich Machokali als der Stärkere erweisen, würde Tajirika ihm alles darüber erzählen, was Sikiokuu während Machokalis Abwesenheit ausgeheckt hatte. Und sollte Sikiokuu der Stärkere sein, würde Tajirika sich weiterhin auf dessen Seite schlagen und die Vergangenheit vergessen. Als er jetzt die Straße zum Mars Café überquerte, war sein Kopf voller Gedanken, wie er zwischen den beiden riesigen Rivalen im Kampf um die Macht hinter dem Thron taktieren wollte, und er dachte nicht an die Aussicht auf eine weitere einsame Nacht daheim.
    Er spürte, wie sich auf einer Seite Leute an ihn drängten, tat es aber gleich als eine der Belästigungen ab, die einem auf bevölkerten Straßen eben widerfuhren. Eldares lockt zu viel Gesindel vom Land an, sagte er sich ein wenig irritiert. Als er aber versuchte, seinen Schritt zu beschleunigen, und immer noch den Druck spürte, blickte er sich um und sah Vermummte, deren Masken nur zwei bedrohliche Augenschlitze aussparten. Selbst da glaubte er noch nicht, dies könne etwas mit ihm zu tun haben. Er hatte schon viel über die Opfer von kupigwa ngete gehört und gelesen. Sollte er am helllichten Tag Augenzeuge dieser Art von Straßenraub werden?
    Aber bevor er begreifen konnte, was passierte – er spürte es mehr, als dass er es bewusst erlebte –, wurde er hochgehoben und auf die Rückbank eines wartenden Kleinbusses geschoben, der sofort losfuhr. Das Ganze geschah so schnell, dass kein Passant die Ereignisse rund um den Kleinbus als etwas Ungewöhnliches wahrnahm. Im dunklen Innern des Kleinbusses fand sich Tajirika zwischen zwei Entführern wieder, die ihn an den Armen festhielten. Er versuchte, sich aus ihrem Griff zu befreien, konnte aber nicht einmal die Hüften bewegen, so fest hielten sie ihn. Sein erster Gedanke war, dass es sich um Diebe handelte.
    „Ich habe nicht viel Geld dabei. Wohin bringt ihr mich?“, fragte er, erhielt aber keine Antwort.
    Er überlegte, es wäre am besten, ruhig zu bleiben und die Ankunft abzuwarten, wohin auch immer sie ihn brachten. Befände er sich erst einmal außerhalb des Kleinbusses, würde er versuchen zu fliehen. Doch sobald der Kleinbus anhielt, verbanden ihm seine Kidnapper die Augen, brachten ihn in ein Haus und drückten ihn auf einen Stuhl. Als sie das Tuch abnahmen und sich Tajirika von maskierten Gestalten umringt sah, traten ihm Schweißperlen auf die Stirn. „Wer seid ihr?“, fragte er mit zitternder Stimme.
    Sie nahmen die Masken ab. Was! Frauen? Er war schockiert und gleichzeitig ernüchtert und beschämt. Er, ein Mann, entführt von Frauen? Dann kamen Verachtung und Trotz. Selbst wenn sie zu neunt waren, konnten die Frauen ihn nicht gegen seinen Willen festhalten, dachte er und stürzte zur Tür. Sie war abgeschlossen.
    „Setz dich und warte die Zeremonie ab“, befahl ihm eine Frau, aber Tajirika beachtete sie nicht.
    „Macht die Tür auf, oder ich bringe euch bei, was ein Mann ist“, rief er und trat gegen die Tür.
    Tajirika bekam nicht einmal mit, wer ihn zuerst und aus welcher Richtung packte, doch

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