Herr der Krähen
Herren“, antwortete A.G. , der die Spannung spürte, rasch in Kiswahili und versuchte, beide als Gleichgestellte anzusprechen. „Wir haben unterlassen, was die Engländer ,introduction‘ nennen, und in Kiswahili: Menschen miteinander bekannt machen. Das hier ist der Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Mr. und Dr. Machokali.“
Die Worte „meine Herren“ irritierten Machokali und er blickte A.G. scharf an, als wollte er ihn warnen: Der einzige „Herr“ hier ist der Minister.
„Hat Minister Sikiokuu Ihnen nicht gesagt, worum es geht?“, fragte Machokali.
„Nur, dass der Herrscher nach mir geschickt hat.“
Machokali sprach nicht über die Einzelheiten der Krankheit des Herrschers, sondern drängte den Zauberer, alle Kräfte einzusetzen, über die er seinem Ruf nach verfügte, um den Chef zu heilen. Am nächsten Tag solle er wieder nach Aburĩria zurückfliegen. So einfach wäre das.
„Ich leide ein bisschen unter Jetlag“, sprach der Herr der Krähen nachdrücklich zu Machokali. „Ich will erst ein wenig ausruhen, damit mein Kopf klar wird.“
Jetlag? Was wusste dieser Hexenmeister über Jetlag? Machokali sprach seine Neugier nicht aus, sondern drängte zur Eile.
Wieder spürte A.G. die Spannung zwischen den beiden und flüsterte Machokali schnell etwas ins Ohr. „Wir sollten nachgeben. Wir wollen ihn nicht verärgern.“
Machokali passte das Benehmen des Hexenmeisters überhaupt nicht. Auch A.G. ’s Angst und Unterwürfigkeit gefielen ihm nicht. Trotzdem spürte er, dass ihm nichts anderes blieb, als die Bitte des Zauberers zu akzeptieren. Es sollte nicht heißen, er wäre dafür verantwortlich, falls der Hexenmeister versagte.
„Also sehen wir uns morgen“, sagte Machokali.
8
Am Abend rief Machokali die anderen Minister in sein Zimmer. Dr. Luminous Karamu-Mbu, der offizielle Biograph oder DOB , wie er manchmal genannt wurde, wollte ebenfalls teilnehmen, wurde aber ausgeschlossen, weil er nicht zum Kabinett gehörte. Nur für Dr. Wilfred Kaboca und die Sicherheitsleute machte man eine Ausnahme, weil man ihre fachkundige Meinung brauchte.
Karamu-Mbu war nicht der Beliebteste. Er war ein Mann von wenigen Worten und noch weniger Freunden. Die Größe seines Schreibgerätes wirkte bedrohlich, und niemand wusste genau, was er in das ebenso große Notizbuch schrieb. Wegen seiner Nähe zum Thron hatte jeder ein bisschen Angst vor ihm und ging ihm so weit als möglich aus dem Weg. Normalerweise war DOB zu beschäftigt, selbst das winzigste Detail aus dem Leben des Herrschers aufzuschreiben, als dass ihm Gesellschaft fehlte. Aber seit der Herrscher krank geworden war, hatte DOB immer wieder dieselben Sätze notiert. „Auch heute war der Herrscher krank und sprachlos. Heute blieb der Herrscher ans Bett gefesselt und sprachlos. Heute ebenso.“ DOB wusste nichts mit der freien Zeit anzufangen, und sein Ausschluss von der Sitzung war ihm deshalb besonders unangenehm. Er zog sich in sein Zimmer zurück, um die Aufzeichnungen, die er seit der Ankunft in Amerika gemacht hatte, zu ordnen und in eine leserliche Fassung zu bringen.
Machokali war sich unschlüssig, wie er ihnen die Neuigkeiten unterbreiten sollte, und hielt es für das Beste, gleich auf den Punkt zu kommen. Gleichzeitig wollte er behutsam vorgehen, um die Egos der Minister nicht zu verletzen. Er begann deshalb nicht mit der Ankunft des Zauberers, sondern mit einem kurz gefassten Bericht darüber, wie es dazu kam, dass der Hexenmeister in New York war, und wie der Herrscher zustimmend genickt hatte. Er machte eine Pause, um die Wirkung seiner Worte abzuwarten. Zu Machokalis Überraschung brach kein Gelächter aus; einige meinten sogar, sie hätten bereits vom Herrn der Krähen gehört, in die gleiche Richtung gedacht, ihre Ansicht jedoch für sich behalten, weil sie der Wissenschaft eine Chance geben wollten. Selbst Dr. Wilfred Kaboca äußerte keinerlei Zweifel.
„Und wann kommt er nach New York?“, wollten alle wissen.
Machokali sagte es ihnen. Verblüfft sahen sie sich an. Aber sobald sie sich von diesem Schock erholt hatten, machte sich die Neugierde breit. Wie sah er aus? War er alt oder jung? Wie kleidete er sich? Nach langer Diskussion beschlossen sie, nicht allzu bereitwillig auf den Zauberer zuzugehen und ihn mehr oder weniger links liegen zu lassen, damit er nicht auf den Gedanken kam, er wäre den Ministern ebenbürtig. Auch von den weißen Ärzten wollten sie dem Zauberer nichts sagen und Dr. Furyk und Dr. Clarkwell
Weitere Kostenlose Bücher