Herr der Nacht
und seinen magischen Augen, der nur eine Sekunde zu bleiben pflegte, lächelnd herabblickte und dann verschwunden war. Keine Gelegenheit, diese wunderbare Person nach Geschichten zu fragen, obgleich das Kind mit Gewißheit fühlte, daß sie jede Geschichte kennen würde, die es gäbe, kein Raum in der Tat, um mehr zu tun als stumm seinen Blick voll Verehrung und Liebe anzubieten, bevor der adlerflüglige Umhang seinen Träger hinweggetragen hatte.
Die Zeit der Dämonen glich keineswegs der menschlichen Zeit. Im Vergleich: ein sterbliches Leben blitzte vorbei wie der Flügelschlag einer Libelle. Daher schien das Kind, während der Prinz der Dämonen seinen eigenen mitternächtlichen Geschäften in und außerhalb der Welt der Menschen nachging, den Mann, zu dem es hinaufblickte, nur ein- bis zweimal jährlich zu sehen, während Asrharn vielleicht sozusagen zweimal täglich zur Kinderstube gegangen war. Dennoch fühlte sich das Kind nicht vernachlässigt. In seiner Verehrung nahm es kein Recht für sich in Anspruch, um irgendeinen Gefallen zu bitten – tatsächlich dachte es noch nicht einmal an so etwas. Was Asrharn anbetrifft, so wies die Häufigkeit seiner Besuche auf sein großes Interesse an dem Jungen hin – oder jedenfalls auf sein großes Interesse an seinen Vermutungen, was aus dem Jungen werden würde.
*
So wuchs das Kind zu einem Jugendlichen von sechzehn Jahren heran.
Die Vazdru, die Aristokratie von Druhim Vanaschta, beobachteten ihn manchmal, wenn er über die hohen Terrassen des Palastes ihres Herrn ging, und einer mochte bemerken: »Dieser Sterbliche ist tatsächlich wunderschön; er strahlt wie ein Stern.« Und ein anderer würde antworten: »Nein, mehr wie der Mond.« Und dann pflegte irgendeine königliche Dämonin sanft zu lachen und zu sagen: »Mehr wie ein anderes Licht des Erdenhimmels, und unser wunderbarer Prinz sollte am besten vorsichtig sein.«
Schön war der junge Mann, genau wie Asrharn es vorausgesehen hatte. Aufrecht und schlank wie ein Schwert, weiß die Haut; und mit seinem Haar wie strahlend roter Bernstein und seinen Abendaugen gab es gewiß wenige in der Unterwelt, die so außerordentlich waren, und weniger noch in der darüberliegenden Welt.
Eines Tages, als er im Garten unter den Zedern spazierenging, hörte er die Eschvadienerinnen seufzen und sich in der Hüfte beugen wie Pappelhain im Wind, welches die Form darstellte, wie sie ihrem Prinzen huldigten. Und als er sich eifrig umwandte, erblickte der junge Mann Asrharn, der auf dem Weg stand. Es schien dem Sterblichen, daß dieser besondere Besucher weit länger als vorher ferngeblieben war; vielleicht hatte ihn irgendein verwickelteres Unternehmen als gewöhnlich auf der Erde festgehalten, das Beugen einer sanften Gesinnung oder der Untergang eines noblen Königreiches, so daß möglicherweise vier oder fünf Jahre im Leben des jungen Mannes verstrichen waren, ohne daß er ihn gesehen hatte. Nun brannte dort sein dunkler Glanz so ungeheuerlich, daß der Sterbliche eine Regung verspürte, seine Augen wie vor einem großen Licht abzuschirmen.
»Nun«, sagte Asrharn, Prinz der Dämonen, »es scheint, ich habe in jener Nacht auf dem Hügel eine ausgezeichnete Wahl getroffen.« Und als er näherkam, legte er seine Hand auf des jungen Mannes Schulter und lächelte ihn an. Und diese Berührung war wie ein Speerstoß aus Schmerz und Lust und das Lächeln wie der älteste Zauber der Zeit, so daß der Sterbliche nichts sagen konnte, nur zittern. »Nun wirst du mir gut zuhören«, sagte Asrharn, »denn dies ist die einzige harte Lehre, die ich dir erteilen werde. Ich bin der Herrscher dieses Ortes, dieser Stadt und dieses Landes, und ebenso bin ich der Meister vieler Zaubereien und ein Gebieter der Finsternis, so daß die Dinge der Nacht mir gehorchen, sei es auf der Erde oder unter ihr. Dich jedoch will ich mit vielen Gaben versehen, die allgemein den Menschen nicht verliehen sind. Du sollst mir sein mein Sohn, mein Bruder und mein Geliebter. Und ich will dich lieben; denn als solcher, der ich bin, gebe ich meine Liebe nicht leichtfertig, aber einmal gegeben, wird sie nicht wanken. Doch bedenke dies: wenn du mich jemals dir zum Feind machen wirst, wird dein Leben sein wie Staub oder Sand im Wind. Denn was ein Dämon liebt und verliert, das wird er zerstören, und meine Macht ist die gewaltigste, die du vermutlich je erfahren wirst.«
Aber der junge Mann starrte in Asrharns Augen und sagte: »Wenn ich dich erzürnen sollte, mein
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