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Herr der Nacht

Herr der Nacht

Titel: Herr der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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Gebieter, dann würde mein einziger Wunsch sein zu sterben.«
    Darauf neigte Asrharn sich herab und küßte ihn.
    Der Kopf des Sterblichen verschwamm, und er schloß die Augen.
    Asrharn führte ihn zu einem Pavillon aus Silber, in dem die Teppiche dick waren wie Farn und nach nächtlichen Wäldern rochen, und dunkelglänzende Tücher hingen herab wie Wolken über dem Mond.
    An diesem fremdartigen Ort, teils wirklich, teils rätselhaft, wägte Asrharn noch einmal die herangewachsene jungfräuliche Schönheit seines Gastes ab, indem er den elfenbeinernen Körper liebkoste und mit seinen Fingern das Bernsteinhaar kämmte, das er so schätzte. Der Jüngling lag sprachlos vor Entzücken unter der Berührung des Dämonen. Er schien aufgezehrt vom hitzelosen Brennen der Feuerfontäne im Garten. Er war ein Instrument, das eigens für einen einzigen Meistermusiker entworfen war. Nun stimmte der Meister seinen Körper und erweckte die Nervensaiten seines Fleisches zu einer höchst empfindsamen und spannungsvollen Pein. In der Umarmung Asrharns lag nichts Rohes oder auch nur Drängendes. Ewige Zeit stand dem Liebesakt von Seiten Asrharns zu Gebote, Lustgenüsse, die aufwogten und sich vom einen über den anderen ergossen, anhaltend und ohne Maß. Geschmolzen und wiedergeformt im grenzenlosen Hochofen, wurde der Jüngling schließlich zu einem einzigen pulsierenden Resonanzboden für dies aufsteigende Motiv. Dann wurde ein schrecklicher und wunderbarer Ton in ihm zum Klingen gebracht, der das wartende Gefäß, das er geworden war, bis zum Rand erfüllte. Der Phallus des Dämons (weder eiskalt noch brennend), drang in ihn ein, wie ein König in ein erobertes Königreich eindringt; voll Verehrung, sein eigen durch das Recht der Hingabe. Der Phallus war ein Turm, der das Tor durchstieß, den Scheitelpunkt des Zufluchtsortes seiner innern Welt. Die dunklen Farben des Pavillons vermischten sich mit der Dunkelheit jener drohenden und unverschlossenen Augen, die ihn mit einer schrecklichen, grausamen, schonungslosen Zärtlichkeit betrachteten. Der Leib des Sterblichen glühte auf, entflammte und zerbarst in Millionen Schauder von unsagbarer Wonne, die letzten Musikakkorde, die Kuppel des Turmes, der das Dach des Himmels im Gehirn zerschmetterte. Er sank zurück im Delirium, mit dem Geschmack von Nacht, Asrharns Mund, auf seinem eigenen.
2
Sonnenschein
    Asrharn gab dem Jüngling einen Namen: Sivesch, was in Dämonensprache der Helle, Schöne, bedeutete oder vielleicht auch der Gesegnete. Er machte Sivesch zu seinem Gefährten und überhäufte ihn mit vielen unglaublichen Gaben, wie er versprochen hatte. Er verlieh ihm die Fähigkeit, mit einem Pfeil weiter und geschickter zu schießen als irgendein anderer, Mensch oder Dämon, und mit einem Schwert zu kämpfen, als ob er zehn Schwertarme in seinem einen berge. Durch Berühren seiner Stirn mit einem Jadering befähigte er ihn, jede der sieben Sprachen von der Unterwelt zu sprechen und zu lesen und mit einem Perlring jede der sieben Sprachen der Menschen. Und mit einem Zauberspruch, der älter war als die Welt selbst, machte er ihn immun gegen jegliche Waffe, Stahl oder Stein, Holz oder Eisen, Schlangen- und Pflanzengift oder Feuer. Nur vor dem Wasser konnte er ihn nicht beschützen, denn die Ozeane gehörten zu einem anderen Königreich als die Erde und hatten ihre eigenen Herrscher. Asrharn plante jedoch, eines Tages den Jüngling zu den kalten, blauen Ländern von Oberwelt zu bringen und die Wächter der Heiligen Quelle zu überlisten, um Sivesch einen Unsterblichkeitstrunk zu geben.
    In der Zwischenzeit gab es viel zu sehen und zu tun für den jungen Mann, denn von nun an streifte er nicht nur mit dem Prinzen in Druhim Vanaschta umher und nahm an all ihren wunderhaften Vergnügungen teil, sondern er ritt auch neben ihm durch die wilden Einöden von Unterwelt. Asrharn hatte ihm mit all den andern Gaben ein Dämonenpferd zu reiten gegeben, eine Stute mit einer Mähne und einem Schwanz, die blauem Rauch glichen, und der bemerkenswerten Fähigkeit übers Wasser zu laufen. Asrharn und Sivesch pflegten zusammen über die Seen der Unterwelt zu galoppieren, unter Bäumen aus Silberdraht oder Knochen, oder mit blutroten Spürhunden an den Ufern des großen Schlafflusses zu jagen, wo weißer Flachs wuchs wie Binsen. Asrharn jagte an jenen Gestaden weder Wild noch Hasen oder nicht einmal Löwen, denn die kleinen Grausamkeiten der Menschen waren nichts im Vergleich zu den riesigen Grausamkeiten

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