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Herr der Nacht

Herr der Nacht

Titel: Herr der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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die Zeit eines Jahres der Sterblichen in seinem Palast in Druhim Vanaschta.
    Asrharn hatte ihn viele der Wege des Liebens gelernt. Dämonen waren nicht nur einer einzigen Straße zugetan, einem einzigen Raum in dem unermeßlichen Schatzhaus. Die wonnevolle Tür des einen Zimmers führte in ein anderes. Ferashin, mit dem Honigtau ihrer Lenden, ihrer Apfelsüße und ihrem Weizenfeld-Haar, auf das sie ihren Geliebten und sich selbst wie auf einen geschmeidigen Teppich aus duftendem Gold bettete, war so reif für Siveschs Lust wie die Erde.
    Sicher ist, daß er sie in dieser Zeit liebte, und es mag sein, daß sie ihn liebte. Sie war nicht von Dämonen-Art, obgleich von Dämonen geschaffen. Noch war sie menschlich. Sie war ein Geschöpf von Erdensamen und übernatürlichem Mutterboden. Sie trug den Stempel beider.
    So lebte Sivesch für ein Jahr in etwa wie vorher, jagte in den Wildnissen von der Unterwelt, gab Feste in der unterirdischen Stadt, ging manchmal des Nachts mit Asrharn über die Erde und kehrte zuletzt über den magmagefüllten Burggraben zu seinem Blumen-Weib zurück. Und wenn er sie auch verehrte, so betete er immer noch den Prinzen der Dämonen an vor allem anderen, um so mehr wegen dieses letzten Geschenkes, das er ihm gegeben hatte. Es mag sein, daß auch irgendein Zauber über ihn verhängt war, wenn er ihre Hand ergriff, denn ansonsten ist es merkwürdig, daß er so lange und vollständig die Tageswelt vergaß, daß er sich damit begnügen konnte, sie bei Nacht zu besuchen, und daß er sogar die Seelen der Menschen am Schlaffluß jagen konnte.
    Aber der Prinz der Dämonen konnte nicht alles voraussehen, und so war es Ferashin selbst, die den Zauber brach. Sie war von der Welt gekommen, wenn auch Dämonen sie schufen, und ihr Herz war immer noch das Kerngehäuse des Samens, der den Gesetzen der Natur gehorcht und sich nach Licht und Luft sehnt.
    Plötzlich, am letzten Tag des Jahres, als sie sich vom Bett erhob, murmelte sie zu Sivesch, ihrem Ehemann: »Ich träumte einen gar wunderlichen Traum, während ich schlief. Ich träumte, ich lag in einer Höhle und hörte ein Bronzehorn im Himmel erschallen, und ich wußte, daß es mich rief. So erhob ich mich und kletterte ihm über die steilen Treppen der Höhle entgegen. Der Weg war sehr beschwerlich, aber zuletzt erreichte ich eine Tür, und als ich sie aufstieß, kam ich draußen auf eine Wiese, und darüber war eine bezaubernde Schale, ganz in Blau, mit einer kleinen, eingesetzten Scheibe aus Gold, und obwohl sie so klein war, strahlte die Scheibe ein Licht aus, welches das Land erfüllte von einem Ende zum anderen.«
     
    Als Sivesch ihre Worte hörte, schien sein Herz in ihm zu springen und zu entflammen, und er erinnerte sich sofort an die Morgendämmerung, als er die Sonne gesehen hatte. Es war, als ob ein Schatten auf alles um ihn her gefallen wäre, außer in seine Brust und sein Gehirn, die in Flammen standen. Er schaute auf die schöne Ferashin, und sie war wie eine Gestalt aus Nebel. Der Palast um sie beide herum war düster wie gelbes Blei. Er rannte hinaus in die Stadt; ihre Pracht war erkaltet, sie war ein Grab. Dann, als er verwirrt in den Straßen des Grabes umherlief, traf er Asrharn.
    »Ich sehe, du hast dich an die Erdenwelt erinnert«, sagte der Prinz der Dämonen mit einer Stimme aus Eisen. »Was nun?«
    »Oh, mein Gebieter, mein Gebieter, was kann ich tun?« rief Sivesch weinend. »Das Fleisch meiner Mutter ruft mich aus ihrem Grab in der Erde oben. Ich muß zurückkehren zum Land der Menschen, denn ich kann nicht länger in der Unterwelt verweilen.«
    »So willst du leugnen, daß du mir irgendeine Liebe schuldest«, sagte Asrharn mit einer Stimme aus Stahl.
    »Mein Gebieter, ich liebe euch mehr als meine Seele. Wenn ich euch verlasse, wird es für mich sein, als ob ich die Hälfte von mir in eurem Königreich zurückließe. Aber hier leide ich Folterqualen. Ich kann nicht bleiben. Die Stadt ist ein Schatten und ich bin ein blinder Wurm, der in ihr umherkriecht. Habt deshalb Mitleid mit mir und laßt mich gehen.«
    »Dies ist das dritte Mal, daß du mich erzürnt hast«, sagte Asrharn mit einer Stimme aus tiefstem Winter. »Überlege dir gut, ob du wünschst, mich zu verlassen, denn ich werde meinen Zorn nicht länger mehr beiseite tun.«
    »Ich habe keine Wahl«, sagte Sivesch, »keine, mein Gebieter aller Gebieter.«
    »Dann geh!« sagte Asrharn mit einer Stimme des Todes. »Und gedenke später dessen, was du verworfen hast und

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