Herr der Schlangeninsel
trifft.
Übermorgen fliegen wir in den Urlaub — und zwar dorthin. Nach Diktis Fakion.“
„Wenn ihr das Antonia sagt, bricht sie
in Tränen aus. Es ist ihre Heimatstadt. Und ihr Verlobter hat dort Verwandte.“
Baldriane Watsch nahm den Korb auf, den sie für einen Moment abgestellt hatte.
„Soll ich Antonia was ausrichten? Oder
kommt ihr nochmal wieder?“
„Wir kommen wieder“, versicherte Tim.
„Aber vielleicht hilft uns ein glücklicher Zufall, und wir begegnen den beiden
auf der Straße. Um das Paar zu erkennen, müssen wir freilich wissen, wie Frau
Vasilopoulos und Herr Klaudonia aussehen. Können Sie uns die beiden
beschreiben?“
„Ach, ihr kennt sie gar nicht?“
„Leider hatten wir noch nicht das
Vergnügen.“
Baldriane Watsch bemühte sich um eine
treffende Beschreibung.
Derzufolge war Antonia eine Schönheit
von 23 Jahren, mit langem dunklen Haar und großen Augen. Ihr Verlobter war etwa
15 Jahre älter, ansehnlich, hatte dunkle Locken und Prachtzähne, die er beim
Lachen zeigte.
„So“, sagte die gesprächige Nachbarin
dann, „jetzt muß ich aber los. Mein Garten wartet.“
Tim erbot sich, ihr die Körbe bis
hinunter zu tragen. Klößchen, der heute nicht seinen besten Tag hatte, sagte:
„Ich hätte mal eine Frage, Frau Watsch. Ihr Vorname ist doch sicherlich eine
Abkürzung. Für was steht die?“
Die Frau lachte. „Nein, keine
Abkürzung. Mein Vater war Apotheker und ein leidenschaftlicher Befürworter
pflanzlicher Beruhigungsmittel. Er hat verschiedene Baldrian-Kapseln in den
Handel gebracht. Baldrian ist, wie du sicherlich weißt, ein solches Mittel.
Wohl deshalb hat er seine einzige Tochter, nämlich mich, so genannt. Damals
konnte ich mich nicht dagegen wehren. Und inzwischen finde ich’s so lustig, daß
ich mich nicht mal mehr hinter der Abkürzung B. verstecke. Ich stehe zu meinem
beruhigenden Namen.“
„Da bin ich aber froh“, meinte
Klößchen, „daß mein Vater mich nicht Schokolus oder Kakaurich getauft hat. Er
ist nämlich Schokoladen-Fabrikant.“
Vor dem Haus trennte man sich.
Frau Watsch eilte zur nächsten
Bushaltestelle.
Auch mit Chungs Ruhe war es vorbei.
„Immerhin weiß ich jetzt“, sagte er
rasch, „daß die Jagd in vollem Gang ist. Wer hat den Jade-Tiger? Ist er noch in
Nick Klaudonias Hand? Oder haben Iltis und Würger ihn in der Wohnung gefunden?
Ich werde sofort alle meine Landsleute hier verständigen. Die meisten kennen
mich — und sind auf meiner Seite. Sie sollen aufpassen, ob Dahong Wu und Foen
Zhuo, diese Aas speisenden Bastarde, in der Stadt gesichtet werden. Wenn sie
sich hier aufhalten, bedeutet das: Der Jade-Tiger ist noch bei Klaudonia.“
„Auch wir“, nickte Tim, „halten die
Augen offen.“
Chung verabschiedete sich.
In seinem Club war er für Tim und
dessen Freunde jederzeit zu erreichen.
Gaby hatte sich die Papierblume ins
Haar gesteckt. Prüfend sah Tims Freundin die Jungs an.
„Ist euch was aufgefallen?“
„Rotweiß“, sagte Klößchen und meinte
die Blume, „steht dir nicht ganz so gut wie rotblau.“
Gaby schickte einen Blick zum Himmel.
„Rot steht mir überhaupt nicht. Aber das meine ich nicht. Sondern — Klaudonia!
Den Namen! Erst dachte ich, der wäre im Griechischen vielleicht so häufig wie
bei uns Müller oder Sauerlich. Aber..
„Heheh, Fräulein Glockner“, fiel
Klößchen ihr ins Wort, „Sauerlich ist selten.“
„...nun denke ich anders. Denn...“
„Der Tauchlehrer!“ rief Karl.
„Demetrios Klaudonia heißt der Tauchlehrer im Feriendorf Faul-und-Froh. So
steht es im Prospekt. Der Typ könnte ein Verwandter sein von unserem Nick.“
„Sieht ja fast so aus“, sagte Klößchen,
„als geraten wir da in ein Räubernest.“
„Zunächst sind die Räuber noch hier“,
meinte Tim. „Vier an der Zahl. Was tätet ihr anstelle der beiden Chinesen? Dort
vorn ist ein Taxi-Stand. Wu und Zhuo sind fremd in der Stadt. Für
Sehenswürdigkeiten interessieren sie sich sicherlich nicht. Wenn sie den
Jade-Tiger haben, lassen sie sich sofort zum Flughafen bringen oder zum
Bahnhof. Richtig? Und wenn sie das Li-Heiligtum noch nicht zurückstehlen
konnten, werden sie vermutlich Hotelzimmer belegen. Fragen wir mal die
Taxi-Chauffeure.“
Drei Mietdroschken warteten.
Angesichts des schönen Wetters war
wenig Nachfrage.
Zwei Fahrer schlummerten hinter dem
Lenkrad. Der dritte, der mit der nächsten Fuhre an der Reihe gewesen wäre, las
Zeitung.
„Entschuldigung!“ Tim stand am
Fahrerfenster.
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