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Herr der Schlangeninsel

Herr der Schlangeninsel

Titel: Herr der Schlangeninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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straßenseitigen Raum und kauerte sich unter das Fenster.
    Da war er, der Wagen. Hielt vor Nummer
14. Nick und Antonia stiegen aus. Nick verschwand in Nummer 14. Antonia wartete
an der Haustür. Der Motor lief. Edgar, der den Fahrer machte, spähte umher.
    Ja, sucht nur, dachte Karin. Mein ist
die Kohle!
    Nick kam zurück. Sein wutverzerrtes
Gesicht verriet alles. Den Koffer hielt er vor sich — so geöffnet, daß die
Innenseite nach vorn wies.
    „Leer!“ Seine Stimme überschlug sich.
„Leer. Nichts drin! Sie haben uns reingelegt. Nichts wie weg! Wahrscheinlich
lauern sie irgendwo.“

    Er schleuderte den Koffer zu Boden und
sprang in den Wagen, ohne seiner Antonia, die das nicht so schnell schaffte, zu
helfen. Edgar fuhr an. Die Frau, die hinten einstieg, hing noch mit einem Bein
im Freien. Aber es gelang ihr, das Laufwerkzeug einzuziehen und die Tür zu
schließen.
    Mit jaulenden Reifen sprang der Wagen
über die Schlaglöcher.
    „Hihihihihih...!“
    Karin konnte nicht an sich halten. Sie
bebte vor Lachen. Es schüttelte sie. Lachtränen rannen. Dann wurde sie
plötzlich ernst, wischte sich mit dem Unterarm übers Gesicht, nahm den
Plastiksack und verließ das Versteck.
    Mit erhobener Nase spazierte sie zum
Professor-Huhnbrüster-Platz.
    Wie herrlich das Wetter war! Eine
wundervolle Gegend!
    Das ist kein Lehmgruben-Weg, dachte
Karin, sondern ein Goldgruben-Weg. Jetzt bin ich das reichste Mädchen in der
Stadt. Und wo Geld ist, kommt bekanntlich noch mehr dazu. Bestimmt findet die
TKKG-Bande den Henkelmair-Schatz. Mit meinem Fünftel bin ich dann so reich, daß
alle mich beneiden.
    Sie bummelte. Jetzt hatte sie Zeit. Die
blöden Ganoven waren keine Gefahr mehr. Karin betrachtete die häßlichen Häuser.
Vor einem stand ein Karton mit zerlesenen Comic-Heften. War da was dabei für
sie?
    Karin hockte sich daneben und wühlte in
den Heften. Sie liebte Comics, hatte selbst eine Sammlung. Jetzt wählte sie
fünf Hefte aus, die noch gut erhalten waren.
    Als sie das sechste fand, quietschten
hinter ihr Reifen.
    Erschrocken fuhr sie herum.

11. Der Müllsack
     
    „Tag, Karin“, sagte Tim.
    Offenen Mundes starrte sie ihn an.
    „Habe ich dich erschreckt?“ fragte er.
„Oder erkennst du mich nicht?“
    Dumme Pute! setzte er in Gedanken
hinzu. Sie glotzt mich an, als wäre ich ein Gespenst — und kein freundliches.
    Tim hatte einige Minuten Vorsprung vor
seinen Freunden. Eile war geboten. Daß die beiden Chinesen in dieser tristen
Umgebung nicht lange verweilen würden, ließ sich denken. Also war er trotz
Hitze und Verkehrsdichte fast ununterbrochen gesprintet mit seinem Rennrad.
Außerdem kannte er ja die Riesenstadt weit besser als mancher Verkehrspolizist
— und damit auch die abkürzenden Schleichwege.
    „Äh... ja, Tag, Tim!“
    „Ist dir nicht gut?“
    „Do... doch!“
    „Du siehst käseweiß aus wie
Schimmelkäse. Atme mal tief. Sammelst du Altpapier?“
    „Wie? Nein. Nur... Zufällig sah ich die
Comic-Hefte.“
    Tim saß noch im Sattel, hatte einen Fuß
auf den Boden gesetzt und verschoß Blicke in alle Richtungen.
    Hier mit Karin zu schwatzen, kam ihm
zupaß. Es sah harmlos aus.
    „Bist du schon lange hier?“ fragte er.
    „Äh... ein bißchen. Nicht sehr lange.
Aber schon eine Weile.“
    Tolle Antwort, dachte er. Was ist los
mit Karin? Was machte sie hier in dieser gottverlassenen Gegend?
    Er wandte den Kopf nach rechts und
links, äugte aus den Augenwinkeln.
    „Hast du ein Taxi gesehen?“
    „Hier?“
    „Ja, hier.“
    „Nö.“
    Tim sah auf die Uhr. Er war wirklich
schnell gefahren. „Oder zwei Chinesen?“
    „O... oder... Chinesen?“ Sie stotterte.
„Wie kommst du auf Chinesen?“
    „Dafür habe ich meinen Grund. Was ist?
Ja oder nein? Zwei Chinesen mit einem kleinen blauen Koffer, den gelbe
Aufkleber verzieren. Ein Flugkoffer soll’s sein.“
    Karin konnte nicht antworten. Mit
beiden Armen preßte sie den zugebundenen Müllsack an sich.
    Tim sah sie an.
    „Mit dir stimmt doch was nicht. Wirst
du krank? Wie kommst du überhaupt hierher?“
    „Weiß... nicht. Nein.“
    „Was nein? Du wirst nicht krank? Weißt
nicht, wie du hierher kommst? Oder du hast keine Chinesen gesehen?“
    „Keine Chinesen. Habe keine gesehen.“
    „Aber vielleicht ein griechisches
Pärchen? Sie ist 23 Jahre alt und hat langes dunkles Haar. Er etwa Mitte
Dreißig, dunkellockig, hat schöne Zähne.“
    „Nein. Nie gesehen.“
    Was hat sie? überlegte Tim. Ist total
durcheinander, völlig verkrampft und jetzt

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