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Herr der Schlangeninsel

Herr der Schlangeninsel

Titel: Herr der Schlangeninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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„Wissen Sie vielleicht, ob während der letzten halben Stunde
zwei Chinesen hier waren?“
    „Das stimmt. Der Kollege Wichmann hat
sie gefahren. Vor etwa 20 Minuten.“
    „Einer der Chinesen hatte einen blauen
Koffer mit gelben Aufklebern?“
    „Stimmt.“
    „Hörten Sie zufällig, ob die zum
Bahnhof wollten?“
    „Nein, nicht zum Bahnhof. Jedenfalls
ist mir nicht bekannt, daß es am Lehmgruben-Weg einen Bahnhof gibt.“
    Er lachte laut über seinen Witz.
    Auch Tim strahlte von Ohr zu Ohr, aber
nicht wegen dieses umwerfenden Humors, sondern weil er sich über die Auskunft
freute wie über ein Weihnachtsgeschenk.
    „Also zum Lehmgruben-Weg wollten die
beiden?“
    „Einer der Gelben sagte es, als sie
einstiegen. Lehmgruben-Weg 4, glaube ich. Nein, 14!“
    „Verbindlichsten Dank. Sollten wir
jemals ein Taxi benötigen, kommen wir auf Sie zurück.“
    Auf den Gesichtern von Tims Freunden lag
Spannung dick wie Sonnenöl mit Schutzfaktor 12.
    „Rätselhaft“, sagte der TKKG-Häuptling
halblaut. „Lehmgruben-Weg — das ist doch diese Bruchbuden-Abriß-Gegend, wo zur
Innenstadt-Verkehrsberuhigung ein Riesen-Parkplatz entstehen soll — sehr zur
Freude der Anlieger an Sandwieler-Gasse, Torf-Anger und Schotter-Allee. Was
treibt Würger und Iltis dorthin? Fla? Wir werden es erfahren, denn wir preschen
jetzt los.“

10. Karins großer Coup
     
    Karin Lippscheck, die Lippenleserin,
hatte das Gefühl, über sich selbst hinauszuwachsen. Diese Kühnheit, sich auf
ein solches Abenteuer einzulassen! Das war ja fast wie bei der TKKG-Bande.
Allerdings hatte Karin ein anderes Motiv. Wenn Tim und seine Freunde für
Gerechtigkeit streiten und üble Machenschaften aufdecken, kann selbst der
Neider nur den Hut ziehen. Für Karin ging’s um was anderes. Sie wollte ihre
Geldgier stillen — mit 300 000 DM.
    In Windeseile hatte Karin das Postamt
verlassen, hatte die nächste Straßenbahn erwischt — und glücklicherweise die
direkte Linie zum Professor-Huhnbrüster-Platz, wo ja bekanntlich der
Lehmgruben-Weg beginnt.
    Jetzt hielt dort die Straßenbahn, in
der es heiß war wie in einem Brutofen, und Karin stieg aus.
    Was Nick, Edgar und Antonia mit den
beiden Chinesen zu schaffen hatten, konnte sie sich halbwegs zusammenreimen.
Als eifrige Zeitungsleserin wußte sie über den Jade-Tiger Bescheid. Also dieses
Trio hatte ihn. Hier in der Stadt. Sensationell! Ein gewisser Xiang-Beutezahn
spielte eine Rolle. Alles hörte sich irrsinnig verbrecherisch an. Erpressung
war sicherlich das Schlüsselwort. Und beide Parteien werden sich wundern, wenn
sie, Karin, diese Wahnsinnssumme abstaubte.
    Das Mädchen beschleunigte den Schritt.
    Lehmgruben-Weg — eine ehemalige
Arbeiter-Siedlung aus der Zeit, als Landflucht modern war und die Industrie
noch zupackende Hände brauchte anstelle der computergesteuerten
Fertigungsanlagen.

    Diese Häuser und Häuserzeilen waren
schon zu ihrer Entstehung miserabel gewesen. Jetzt verfielen sie wie Sandburgen
am Strand. Selbst Ratten, die was auf sich hielten, hatten ihre Löcher
woanders. Während des zweiten Weltkrieges, als mancher Bombenhagel die Stadt
zerstörte, war hier nicht eine einzige Bombe oder Luftmine heruntergekommen.
Der Zerstörung anheim fielen damals die nur 1000 Meter Luftlinie entfernten
Villen, Stadtpaläste und Theater.
    Wegen der schadhaften Straße war der
Lehmgruben-Weg für den Autoverkehr gesperrt, und Spaziergänger kannten schönere
Straßen. Deshalb herrschte hier total tote Hose — sieht man ab von den beiden
Radfahrern, die eben ganz hinten um die Ecke verschwanden.
    Karin schauderte.
    Wie still es hier war — und das am Rand
der Innenstadt. Richtig einsam! Durch leere Fensterhöhlen sah sie in schäbige
Räume, wo zerfetzte Tapeten von den Wänden hingen.
    Immerhin — die Hausnummern waren fast
alle noch vorhanden.
    Karin blieb stehen.
    Nummer 14, ein zweistöckiges
Reihenhaus, hatte keine Eingangstür mehr. Auch die Hintertür fehlte.
    Durch einen Flur, in dem Schutt lag,
konnte Karin in einen verwilderten Garten sehen. Brennesseln wuchsen brusthoch,
Farne und Sträucher verfilzten zum Dickicht.
    Also hier!
    Sie horchte. Nach allen Seiten sah sie
sich um.
    Ich bin die erste, dachte sie. Die
andern kommen noch.
    Sie flitzte in das Abbruchhaus, durch
den Flur, in den Garten.
    Heftig klopfte ihr Herz. Und im Magen
rumorte ein flaues Angstgefühl. Aber vor ihrem inneren Auge sah sie einen
großen Haufen Geld. Das gab den Ausschlag.
    Bienen summten. Nein, Wespen waren

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