Herr der Träume
Schwärze. Er lockerte die Krawatte und öffnete den obersten Knopf seines Hemdes. Dann nahm er den Helm aus der Halterung und überprüfte die Leitungen. Danach setzte er ihn auf, legte die Halbmaske über den Unterteil seines Gesichts und befestigte sie am herabgeklappten undurchsichtigen Visier vor seinen Augen. Er schob seinen rechten Arm in die Führungsschlinge und eliminierte mit einer kurzen Bewegung das Bewußtsein seines Patienten.
Ein Schöpfer betätigt die weißen Knöpfe nicht bewußt; er denkt bloß an das gewünschte Ziel. Daraufhin üben stark geprägte Muskelreflexe einen fast unmerklichen Druck auf die empfindliche Armschlinge aus, die in die entsprechende Stellung gleitet und einen ausgestreckten Finger zu einer Vorwärtsbewegung veranlaßt. Ein Knopf wird gedrückt. Die Schlinge bewegt sich weiter.
Render verspürte ein Kribbeln an der Basis seines Schädels; er roch frisch gemähtes Gras.
Plötzlich bewegte er sich entlang des Korridors zwischen den Welten ...
Es schien lange Zeit zu vergehen, ehe Render endlich fühlte, daß er auf einer fremden Erde Fuß gefaßt hatte. Er vermochte nichts zu sehen; nur ein Gefühl sagte ihm, daß er angekommen war. Er befand sich in der dunkelsten Nacht, die er je erlebt hatte.
Er Wollte, daß die Dunkelheit verschwand. Nichts geschah.
Da erwachte ein Teil seines Geistes – ein Teil, von dem er gar nicht gewußt hatte, daß er nicht wach gewesen war – und er erinnerte sich, in wessen Welt er sich befand.
Er lauschte nach ihrer Gegenwärtigkeit. Er vernahm Furcht und Erwartung.
Er wollte Farben schaffen. Zuerst rot ...
Er fühlte eine Übereinstimmung. Dann kam ein Echo.
Alles wurde rot; er befand sich im Zentrum eines unendlichen Rubins.
Orange-gelb.
Er war in einem Stück Bernstein gefangen.
Jetzt grün, und er fügte den Nebel über einer reglosen See hinzu. Blau, und die Kühle des Abends.
Dann griff er mit seinem Geist hinaus und schuf alle Farben gleichzeitig. Sie kamen in wirbelnden Schwaden.
Er riß sie auseinander und zwang sie in eine Form.
Ein schimmernder Regenbogen spannte sich über den schwarzen Himmel.
Er kämpfte mit Braun und Grau unter sich, und es entstanden selbstleuchtende Flecken dieser Farben.
Von irgendwoher kam ein Gefühl der Ehrfurcht. Aber es lag keine Hysterie darin, und daher fuhr er mit der Schöpfung fort.
Er schuf einen Horizont, und die Schwärze verschwand dahinter. Der Himmel wurde schwach blau, und er plazierte einige dunkle Wolken darin. Er verspürte einen Widerstand gegen seine Bemühungen, Entfernung und Tiefe zu schaffen, und daher verstärkte er das Bild mit einem schwachen Geräusch von Brandung. Daraufhin fand langsam eine Übertragung von der akustischen Auffassung von Entfernung statt, als er die Wolken bewegte. Als eine Welle von Akrophobie auf ihn eindrang, schuf er rasch einen Wald hoher Bäume.
Das Gefühl der Panik verschwand.
Render konzentrierte seine Bemühungen auf die Bäume. Eichen, Fichten, Pappeln – er schleuderte sie wie Speere in grünen, braunen und gelben Reihen, entrollte einen dicken Teppich von taufeuchtem Gras, ließ in unregelmäßigen Abständen graue Felsen und braun-grüne Baumstümpfe fallen, verband die Zweige über sich und schuf auf diese Weise einen angenehmen Schatten auf der kleinen Lichtung.
Die Wirkung war überwältigend. Es schien, als würde die ganze Welt von einem Schluchzen geschüttelt, um dann zu schweigen.
Durch die Stille hindurch spürte er ihre Gegenwart. Er hatte es für das beste gehalten, rasch die Grundlagen zu schaffen, eine Basis zu errichten, von der aus er weiter operieren konnte. Später würde er hierher zurückkehren können und in zukünftigen Sitzungen die Folgen des Traumas ausmerzen. Aber für den Anfang war dies hier nötig.
Plötzlich wurde ihm bewußt, daß die Stille kein Zurückziehen in sich selbst bedeutete. Eileen füllte die Bäume und das Gras aus, die Steine und Büsche; sie personifizierte deren Formen und setzte sie in Beziehung zu Tastempfindungen, Geräuschen, Temperaturen und Gerüchen.
Mit Hilfe einer sanften Brise bewegte er die Zweige der Bäume. Von knapp außerhalb des Sichtbereichs her erklang das Plätschern eines Baches. Ein Gefühl überschwenglicher Freude drang auf ihn ein, und er teilte es.
Sie ertrug es außerordentlich gut, und daher beschloß er, einen Schritt weiter zu gehen. Er ließ seinen Geist zwischen den Bäumen wandern und sah einen Moment lang alles doppelt.
Dann befand er sich neben
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