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Herr der Träume

Herr der Träume

Titel: Herr der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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dem Bach und suchte nach ihr. Er trieb mit dem Wasser. Noch hatte er keine Gestalt angenommen. Das Plätschern wurde zu einem Gurgeln, als er den Bach über seichte Stellen und zwischen Felsen hindurchlenkte. Er strengte sich an, und die Geräusche des Wassers wurden zu verständlichen Worten.
    »Wo bist du?« fragte der Bach.
    Hier! Hier!
    ... und hier! gaben die Bäume, die Büsche, die Steine und das Gras zur Antwort.
    »Konzentriere dich auf eines«, sagte der Bach, als er sich verbreiterte, um einen Felsen herum floß und dann einem blauen Teich zustrebte.
    Ich kann nicht, antwortete der Wind.
    »Du mußt.« Der Bach ergoß sich in den Teich, wirbelte an der Oberfläche und wurde dann reglos und reflektierte Zweige und dunkle Wolken. »Jetzt!«
    Gut, kam es vom Wald her. Einen Moment.
    Vom Teich erhob sich Dunst und schwebte zum Ufer.
    »Jetzt«, flüsterte der Dunst.
    Also hier ...
    Sie hatte eine kleine Weide gewählt. Sie schwankte im Wind und ließ ihre Zweige ins Wasser hängen.
    »Eileen Shallot«, sagte er, »betrachte den Teich.«
    Die Brise wechselte, und die Weide beugte sich.
    Es war nicht schwierig für ihn, sich an ihr Gesicht und ihren Körper zu erinnern. Der Baum rotierte, als hätte er keine Wurzeln. Eileen stand inmitten einer lautlosen Explosion von Blättern. Sie starrte erschreckt in den tiefen, blauen Spiegel von Renders Geist, den Teich.
    Sie hielt die Hände vor das Gesicht, aber das hinderte sie nicht am Sehen.
    »Betrachte dich selbst«, sagte Render.
    Sie ließ die Hände sinken und sah nach unten. Dann drehte sie sich langsam nach allen Seiten und betrachtete sich sorgfältig.
    »Ich habe das Gefühl, ich bin ziemlich hübsch«, sagte sie. »Ist es deswegen, weil du es so willst, oder ist es wahr?« Sie blickte sich nach allen Seiten um und suchte den Schöpfer.
    »Es ist wahr«, antwortete Render von überall her.
    »Danke.«
    Etwas Weißes wirbelte, und sie trug ein Kleid aus Damast mit einem Gürtel. Das Licht in der Ferne wurde unmerklich heller. Am unteren Rand der tiefsten Wolkenbank erschien ein rosiges Glühen.
    »Was geschieht jetzt?« fragte sie und wandte sich in diese Richtung.
    »Ich werde dir einen Sonnenaufgang zeigen, und ich werde ihn wahrscheinlich ein wenig verpatzen, aber es ist mein erster Sonnenaufgang unter diesen Umständen.«
    »Wo bist du?« fragte sie.
    »Überall«, antwortete er.
    »Nimm bitte Gestalt an, so daß ich dich sehen kann.«
    »Na schön.«
    »Deine eigene Gestalt.«
    Er wünschte sich neben sie am Ufer, und er war dort.
    Etwas schimmerte metallisch, und er blickte an sich hinab. Die Welt wurde für einen Augenblick verschwommen, aber dann wieder stabil. Er lachte, aber das Lachen erstarb ihm auf den Lippen, als ihm ein Gedanke kam.
    Er trug die Rüstung, die sich neben ihrem Tisch befunden hatte, als sie einander im The Partridge and Scalpel begegneten.
    Er berührte sie.
    »Die Ritterrüstung neben unserem Tisch«, sagte sie und fuhr mit den Fingerspitzen über die einzelnen Teile. »Ich habe sie an jenem Abend mit dir assoziiert.«
    »Und jetzt hast du mich hineingesteckt. Du bist eine Frau mit einem starken Willen.«
    Die Rüstung verschwand, und er trug seinen graubraunen Anzug, eine gestrickte Krawatte und einen professionellen Ausdruck im Gesicht.
    »Sieh dir mein wirkliches Ich an.« Er lächelte leicht. »Und nun zum Sonnenaufgang. Ich werde alle Farben verwenden. Schau!«
    Sie setzten sich auf die grüne Parkbank, die hinter ihnen erschien, und Render zeigte in die Richtung, die er als Osten festgelegt hatte.
    Langsam ging die Sonne alle Phasen ihres Aufgangs durch. Zum erstenmal in dieser Welt strahlte sie wie ein Gott herab, reflektierte sich im Teich, durchdrang die Wolken und ließ Dunst vom feuchten Wald aufsteigen.
    Eileen starrte fasziniert direkt in den aufsteigenden Feuerball und saß eine lange Weile reglos und schweigend. Render spürte ihre Faszination.
    Sie starrte in die Quelle allen Lichtes, die sich in der glänzenden Scheibe auf ihrer Stirn wie ein Blutstropfen spiegelte.
    Render sagte: »Das ist die Sonne und das dort Wolken«, und er klatschte in die Hände, und die Wolken bedeckten die Sonne, und ein leichtes Grollen war zu hören. »Und das ist Donner.«
    Dann fiel Regen, kräuselte die Oberfläche des Teiches, kitzelte ihre Gesichter, erzeugte auf den Blättern prasselnde Geräusche, die in ein sanfteres Trommeln übergingen, als er von den Zweigen tropfte, durchnäßte ihre Kleider, rann vom Haar in den Hals,

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