Herr der Träume
Tafel.
Roboter? (direkt darunter).
URTEILEN SIE SELBST!
Und das taten sie auch.
Render und Jill saßen an einem winzigen Tisch an einer Wand unter Kohlekarikaturen von weiten Kreisen unbekannten Persönlichkeiten. (In den Subkulturen einer Vierzehnmillionen-Stadt gibt es viele Persönlichkeiten.) Jill starrte vergnügt auf den aktuellen Brennpunkt dieser speziellen Subkultur und hob gelegentlich die Schultern bis auf Ohrenhöhe, um einem lautlosen Lachen oder einem leisen Aufschrei Nachdruck zu verleihen, denn die Künstler waren einfach zu menschlich – zum Beispiel die Art, wie der schwarze Robot seine Finger über den Unterarm des silbernen Robots gleiten ließ, als sie sich voneinander trennten ...
Render teilte seine Aufmerksamkeit zwischen Jill, den Tänzern und dem Getränk in einem Miniaturkübel auf ihrem Tisch, das aussah wie Whisky sour, in dem Tang schwamm.
»Charlie, ich glaube, es sind richtige Menschen!«
Render riß seinen Blick von ihrem Haar und den baumelnden Ohrgehängen los und betrachtete die Tänzer auf der etwas tiefer liegenden Bühne.
Unter der metallenen Hülle mochten sich tatsächlich Menschen verbergen. War dies der Fall, so besaßen sie enorme Geschicklichkeit. Obwohl die Herstellung genügend leichter Legierungen kein Problem darstellte, mußte es einem Tänzer einige Mühe bereiten, für so lange Zeit mit derartiger Leichtigkeit in einer vollständigen Rüstung umherzuwirbeln, ohne irgendwelche Geräusche zu verursachen.
Sie schwebten umher wie zwei Möwen. Die größere hatte die Farbe von Anthrazit, während die kleinere aussah wie eine in Seide gehüllte Gestalt, auf die Mondlicht fiel.
Selbst wenn sie einander berührten, verursachten sie keinerlei Geräusch; zumindest wurde ein solches gänzlich von der Musik übertönt.
Wumm-wumm! Tschga-tschg!
Render schenkte sich von neuem ein.
Das Schauspiel ging langsam in einen Apachentanz über. Render warf einen Blick auf die Uhr. Es war zu viel Zeit vergangen, als daß es sich um menschliche Tänzer hätte handeln können. Es mußten Roboter sein. Als er wieder aufsah, schleuderte der schwarze Robot den silbernen etwa drei Meter weit von sich und wandte ihm den Rücken zu. Beim Aufprall war kein metallisches Geräusch zu vernehmen.
Was diese Vorstellung wohl kosten mag? fragte er sich.
»Charlie! Es war nichts zu hören! Wie machen sie das?«
»Tatsächlich?«
Die Scheinwerfer wechselten auf gelb, dann rot, dann blau und zuletzt grün.
»Man möchte glauben, daß der Mechanismus Schaden erleidet, oder?«
Der weiße Robot kroch zurück, und der andere ließ seine Hand im Kreise wirbeln, eine brennende Zigarette zwischen den Fingern. Gelächter brandete auf, als er sie mechanisch an sein lippenloses, gesichtsloses Gesicht führte. Der silberne Robot trat ihm gegenüber. Er wandte sich wieder ab, ließ die Zigarette fallen, stieg darauf und drückte sie lautlos aus. Plötzlich wandte er sich seinem Partner zu. Würde er sie wieder werfen? Nein ...
Langsam, wie langbeinige Vögel, nahmen sie wieder ihre Bewegungen auf.
Etwas in Renders Geist war amüsiert, aber er hatte bereits zu viel getrunken, um es zu fragen, was so lustig war. Statt dessen schaute er auf den Grund seines Glases.
Da packte Jill ihn am Oberarm und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Bühne.
Während die Scheinwerfer das Spektrum mißhandelten, hob der schwarze Robot den silbernen unendlich langsam hoch über seinen Kopf. Der silberne hielt den Rücken stark durchgebeugt und Arme und Beine gestreckt nach allen Richtungen. Der schwarze begann langsam zu rotieren. Dann rascher.
Plötzlich kreisten sie mit unglaublicher Geschwindigkeit, und die Farbscheibe vor dem Scheinwerfer folgte.
Render schüttelte den Kopf, um klarer zu sehen.
Sie bewegten sich so rasch, daß sie einfach fallen mußten, waren es nun Menschen oder Roboter. Aber sie taten es nicht.
Dann wurden sie langsamer, noch langsamer und kamen schließlich zum Stillstand.
Die Musik verstummte.
Dunkelheit folgte, gefüllt von Applaus.
Als die Lichter wieder aufflammten, standen die beiden Roboter wie Statuen dem Publikum zugewandt. Langsam verneigten sie sich.
Der Applaus nahm zu.
Sie wandten sich um und gingen.
Dann setzte die Musik wieder ein, und ein Stimmengewirr erhob sich.
»Was hältst du davon?« fragte Jill.
Render machte ein ernstes Gesicht und stellte eine Gegenfrage: »Bin ich ein Mensch, der träumt, ein Robot zu sein, oder ein Robot, der träumt, ein Mensch
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