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Herr der Träume

Herr der Träume

Titel: Herr der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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wieder aufzubauen – all dies, um den Vorgang zu einem späteren Zeitpunkt wiederholen zu können, wenn er seinem Patienten, der nur auf diese Weise zu sehen vermochte, den Anblick vermittelte. Gegen dieses Gebäude hegte er am wenigsten Abneigung. Ja, er würde es ihr mitbringen.
    Während seine geistige Kamera die Umgebung fotografierte, folgte er der Menge. Seinen Mantel trug er über dem Arm, und es juckte ihn in den Fingern, nach einer Zigarette zu greifen. Er bemühte sich, den Führer zu ignorieren, obgleich er dies für die niedrigste Form des menschlichen Protests hielt. Als er so durch die Kathedrale ging, dachte er an die beiden letzten Sitzungen mit Eileen Shallot.
     
    Wieder wanderte er mit ihr.
    Wo der Panther auf dem Ast auf und ab geht ...
    Sie wanderten.
    Wo der Bock sich wütend gegen den Jäger stellt ...
    Sie waren stehengeblieben, als sie ihre Hände mit gespreizten Fingern gegen die Schläfen gehalten und ihn von der Seite her angesehen hatte, die Lippen geöffnet, als wollte sie ihn etwas fragen.
    »Geweih«, hatte er gesagt.
    Sie nickte, und der Rehbock kam heran.
    Sie befühlte sein Geweih, rieb ihm die Nase und untersuchte die Hufe.
    »Ja«, sagte sie. Der Rehbock entfernte sich, der Panther sprang herab auf seinen Rücken und biß ihn in den Hals. Sie sah zu, wie der Bock mit seinem Geweih zweimal gegen die Raubkatze stieß und dann starb. Der Panther begann an dem Kadaver zu reißen, und sie wandte sich ab.
    Wo die Klapperschlange sich auf einem Felsen sonnt ...
    Sie sah zu, wie sie sich zusammenrollte und zustieß – dreimal. Dann befühlte sie die Klapper.
    Sie wandte sich Render zu. »Warum solche Dinge?«
    »Du darfst nicht nur das Idyll sehen«, antwortete er und wies auf den Boden.
    ... Wo der Alligator im Schlamm der Bucht schläft.
    Sie berührte die Panzerhaut. Das Biest riß das Maul auf. Sie studierte die Zähne, die Struktur des Kiefers.
    Insekten summten um sie herum. Ein Moskito landete auf ihrem Arm und stach sie. Sie schlug danach.
    »Habe ich bestanden?« fragte sie.
    Render lächelte und nickte. »Du machst dich gut.«
    Er klatschte in die Hände, und der Wald und der Sumpf verschwanden.
    Sie standen barfuß in rieselndem Sand, und die Sonne schien gedämpft durch das Wasser über ihnen. Ein Schwarm bunter Fische schwamm zwischen ihnen hindurch, und Seegras schwankte hin und her. Ihr Haar stieg hoch und wehte wie das Seegras, und ihre Kleidung bewegte sich träge. Gewundene und glatte, rosige, blaue, weiße, rote und braune Muscheln lagen vor ihnen verstreut neben Korallenwänden und runden Steinen. Riesenmuscheln öffneten ihre zahn- und zungenlosen Mäuler.
    Sie wanderten durch das grüne Wasser.
    Sie bückte sich und suchte zwischen den Schneckenhäusern. Als sie sich wieder erhob, hielt sie eine riesige, eierschalendünne, blaue Trompete in der Hand.
    »Das ist sie – die Schnecke des Dädalus.«
    »Die Schnecke des Dädalus?«
    »Kennt Ihr nicht die Geschichte, mein Herr, wie sich Dädalus, der Erfinder, einstens vor König Minos versteckte und von diesem gesucht wurde?«
    »Ich erinnere mich schwach ...«
    »In der ganzen antiken Welt suchte er ihn, aber vergebens. Da heckte einer der Ratgeber des Königs einen Plan aus, ihn zu finden.«
    »Welchen Plan?«
    »Diese Schnecke gehörte dazu, die ich hier in der Hand halte und dir jetzt überreiche, mein Erfinder.«
    Render nahm ihre Schöpfung in die Hand und studierte sie.
    »Er schickte sie der Reihe nach in alle Städte der Ägäis«, erklärte sie, »und versprach demjenigen eine hohe Belohnung, der einen Faden durch alle Kammern und Hohlräume zu fädeln vermochte.«
    »Ich glaube mich zu erinnern ...«
    »Wie wurde dies vollbracht und warum? Minos wußte, daß derjenige, der dies zuwege brachte, der größte Erfinder sein mußte. Und er kannte auch den Stolz von Dädalus, wußte, daß er das Unmögliche versuchen würde, um zu beweisen, daß er tun konnte, was kein anderer vollbrachte.«
    »Ja«, sagte Render, als er in die eine Öffnung einen Seidenfaden einführte und zusah, wie er bei der anderen Öffnung zum Vorschein kam. »Ja, ich erinnere mich. Er band ein winziges Insekt an das Ende des Fadens und ließ es in die Öffnung kriechen, denn er wußte, daß es an dunkle Labyrinthe gewöhnt war und seine Kraft seine Größe bei weitem übertraf.«
    »... Und so hatte er das Schneckenhaus auf einem Faden, gewann die Belohnung und wurde vom König gefangen.«
    »Das sollte allen Schöpfern zur Warnung dienen:

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