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Herr der Träume

Herr der Träume

Titel: Herr der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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mitnehmen?«
    »Nein, wir würden dich als etwas anderes brauchen. Aber das sollte dich nicht hindern. Wieviele Männer wurden während der Weltkriege eingezogen, um Kriegsromane zu schreiben? Wieviele Kriegsromane wurden geschrieben? Wieviele gute? Es waren tatsächlich nicht so wenige. Du könntest deine Ausbildung in dieser Richtung planen.«
    »Vielleicht«, sagte der Knabe.
    Sie gingen weiter.
    »Sehen wir dorthin?« fragte der Offizier.
    Der Knabe nickte und folgte ihm in einen Gang und dann in einen Aufzug. Man spürte kaum eine Bewegung, da gingen die Türen auch schon wieder auf. Sie traten auf einen schmalen Balkon hinaus, der um den Rand einer riesigen Schüssel lief.
    Unter ihnen lagen die Hangars und ein Teil der Startbahn.
    »Bald werden einige Raketen starten«, bemerkte der Offizier. »Ich möchte, daß du zusiehst, wie sie auf ihren Rädern aus Feuer und Rauch aufsteigen.«
    »›Räder aus Feuer und Rauch‹«, wiederholte der Knabe lächelnd. »Diese Phrase habe ich oft in euren Broschüren gelesen. Es ist wirklich dichterisch.«
    Der Offizier blieb ihm eine Antwort schuldig. Keiner der Metalltürme rührte sich.
    »Diese hier fliegen eigentlich nicht wirklich in den Weltraum«, sagte der Offizier nach einer Weile. »Sie bringen nur Material und Personal zu den Raumstationen. Die großen Schiffe landen nie.«
    »Ja, ich weiß. Hat heute morgen hier tatsächlich jemand Selbstmord verübt?«
    »Nein«, antwortete der Offizier, ohne ihn anzusehen. »Es war ein Unfall. Er hat den Marsgravitationsraum betreten, ehe die Plattform sich an der richtigen Stelle befand oder der Luftpolster aufgebaut war. Er fiel den Schacht hinab.«
    »Warum wird dieser Teil der Ausstellung dann nicht geschlossen?«
    »Weil alle Sicherheitsanordnungen vorschriftsmäßig funktionieren. Die Warnungslampe und das Schutzgitter sind in Ordnung.«
    »Wieso nennen Sie es dann einen Unfall?«
    »Weil er keinen Abschiedsbrief hinterlassen hat. – Da! Schau! Diese wird gleich starten!« Er wies mit der Pfeife hin.
    Dicke Dämpfe hüllten die Basis eines der Stahlstalagmiten ein. In deren Mitte flammte ein Feuer auf. Rauchwolken brachen sich auf dem Boden und stiegen hoch auf.
    Aber nicht ganz so hoch wie die Rakete.
    Denn nun bewegte sie sich.
    Fast unmerklich hatte sie vom Boden abgehoben. Jetzt war die Bewegung deutlich.
    Plötzlich befand sie sich auf einem Feuerstrahl hoch in der Luft und jagte ins Graue hinein.
    Sie war eine Flamme am Himmel, dann ein Stern.
    »Nichts kommt einer fliegenden Rakete gleich«, sagte der Offizier.
    »Ja«, stimmte der Knabe zu, »Sie haben recht.«
    »Möchtest du ihr folgen? Möchtest du diesem Stern folgen?«
    »Ja«, sagte der Knabe, »eines Tages werde ich es tun.«
    »Meine Ausbildung war ziemlich schwierig, und heutzutage wird sogar noch mehr verlangt.«
    Sie sahen zu, wie zwei weitere Raketen starteten.
    »Wann waren Sie selbst zum letztenmal draußen?« fragte der Knabe.
    »Das ist eine Weile her ...«
    »Ich muß jetzt gehen. Ich habe einige Schulaufgaben zu machen.«
    »Vorher gebe ich dir noch ein paar unserer neuen Broschüren.«
    »Danke, ich habe sie alle.«
    »Na schön ... Auf Wiedersehen, Junge.«
    »Auf Wiedersehen. Danke für die Vorstellung.«
    Der Knabe betrat den Aufzug. Der Offizier blieb auf dem Balkon stehen und starrte zum Himmel empor. Seine Pfeife war erloschen.
     
    »... Das Einfache, das Direkte: das ist die Winchester-Kathedrale«, stand in dem Besucherheft. »Die wie Baumstämme wirkenden Säulen reichen vom Boden bis zur Decke und teilen den Raum harmonisch. Die Teile der Decke zwischen den Säulen sind eben und vermitteln ein Gefühl der Sicherheit und Stabilität. Sie scheinen etwas vom Geist von Wilhelm dem Eroberer zu enthalten ...«
    »Beachten Sie die gerillten Kapitelle«, sagte der Führer. »Die primitive Kannelüre nahm etwas vorweg, was später zu einem verbreiteten Motiv werden sollte ...«
    »Pah!« sagte Render, aber leise, denn er befand sich inmitten einer Gruppe im Innern der Kirche.
    »Pst!« mahnte Jill DeVille.
    In Wirklichkeit war Render beeindruckt, aber er haßte Jills Steckenpferd so sehr, daß er sich eher der orientalischen Wassertortur ausgesetzt als zugegeben hätte, daß es ihm gelegentlich Spaß bereitete, durch Arkaden und Galerien zu gehen und atemlos über enge Wendeltreppen Türme zu besteigen.
    Daher ließ er seinen Blick über alle Einzelheiten schweifen, zerstörte sie, indem er die Augen schloß, um sie aus dem Gedächtnis

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