Herr der Welt
vielleicht doch nicht mehr unmöglich, ins Innere des Great-Eyry einzudringen.
»Und warum vermuten Sie das? fragte ich.
– Weil sich vor einigen Wochen ein gewaltiger Felsblock von dem Berge abgelöst hat, wodurch ja ein gangbarer Weg entstanden sein könnte.
– Das wäre wahrlich ein glücklicher Zufall, Herr Smith!
– Nun, wir werden’s ja sehen, Herr Strock, und zwar schon morgen.
– Also auf morgen!«
Drittes Kapitel.
Der Great-Eyry.
Mit dem nächsten Morgenrote verließen wir, Herr Smith und ich, Morganton auf dem Wege, der längs des linken Ufers des Satawba-River nach dem Flecken Pleasant-Garden hinführt.
Die beiden Führer begleiteten uns. Der dreißigjährige Harry Horn und der fünfundzwanzigjährige James Bruck wohnten beide in Morganton und hielten sich hier dienstbereit für die Touristen, die die schönsten Punkte der Blauen und der Cumberlandberge, welche die Doppelkette der Alleghanies bilden, besuchen wollten. Unerschrockene Bergsteiger mit kräftigen Armen und Beinen, gewandt und erfahren, kannten sie gründlich diesen Teil der Gegend bis zum Fuß der Kette.
Ein mit zwei tüchtigen Pferden bespannter Wagen sollte uns bis zur Westgrenze des Staates befördern. Er enthielt Nahrungsmittel nur für drei Tage, da sich unser Ausflug über diese Zeit hinaus jedenfalls nicht ausdehnen würde. Die Auswahl unserer Bedürfnisse war dem Herrn Smith überlassen gewesen, und so führten wir geschmortes konserviertes Rindfleisch, große Stücke Schinken, eine gar gekochte Rehkeule, ein Tönnchen Bier, mehrere Flaschen Whisky und Branntwein, sowie Brot in hinreichender Menge im Wagen mit uns. Trinkwasser lieferten uns die Bergquellen, die von den zu dieser Jahreszeit hier recht häufigen Platzregen gespeist werden, voraussichtlich in Überfluß.
Es bedarf wohl kaum besonderer Erwähnung, daß der Bürgermeister von Morganton als eingefleischter Jäger auch sein Gewehr und seinen Hund Nisko, der neben dem Wagen hertrabte, mitgenommen hatte. Nisko sollte ihm das Wild zutreiben, wenn wir uns im Wald oder auf Ebenen befänden, er mußte aber für die Zeit, wo wir den Berg bestiegen, mit dem Kutscher in der Farm von Wildon zurückbleiben. Wegen zu überschreitender Spalten und schwierig zu erklimmender Felsen hätte er uns doch nicht nach dem Great-Eyry folgen können.
Der Himmel war fast klar und die Luft, jetzt Ende April, wo in Amerika oft noch ein recht rauhes Klima zu finden ist, von angenehmer Frische. Unter einer wechselnden in der Hauptsache vom Atlantischen Ozean her wehenden Brise, zogen einzelne Wolken schnell am Firmamente hin. Dazwischen blitzten helle Sonnenstrahlen hernieder und beleuchteten die ganze Gegend mit ihrem goldigen Scheine.
Am ersten Tage erreichten wir Pleasant-Garden, wo wir beim Ortsvorsteher, einem vertrauten Freunde des Herrn Smith, übernachten sollten. Mit lebhaftem Interesse betrachtete ich diese Gegend, wo Feldstücke mit Sümpfen und Sümpfe mit Zypressenhainen abwechseln, in der aber immer mehr Dörfer und Einzelgehöfte entstehen. Die gut unterhaltene Straße führt hier durch die Wäldchen hindurch, dort an sumpfigen Stellen und angebauten Landstücken vorüber, ohne je einen größeren Umweg zu beschreiben. In schwach sumpfigem Boden erheben sich die schönsten Zypressen mit schlankem, geradem Stamme, der unten etwas verdickt ist und ganz nahe dem Erdboden kleinere, kugelförmige Knorren, eine Art Kniee aufweist, woraus man im Lande Bienenkörbe herstellt. In dem durch das blaßgrüne Laub streichenden Winde wiegten sich ihre langen grauen Fasern, jene »spanischen Bärte«, die von den Zweigen des unteren Geästes bis zur Erde herabreichen.
Eine reiche Tierwelt belebte die Waldungen der Gegend. Vor unserem Gespanne flüchteten sich größere und kleinere Arten von Feldmäusen und flatterten farbenprächtige Papageien kreischend auf. Dann wieder entwichen vor uns in schnellen Sprüngen zahlreiche Beutelratten, die ihre Jungen in der Bauchtasche trugen, und in großen Völkern flogen allerlei Vögel zwischen den Kronen von Bananen, Fächerpalmen und von Orangenbäumen umher, deren Triebe nur auf den ersten warmen Frühlingshauch warteten, sich sogleich zu öffnen. Hier und da erschienen Dickichte von Rhododendrons, die so verwirrt durcheinander gewachsen waren, daß kein Wanderer hätte hindurchdringen können.
Am Abend trafen wir in Pleasant-Garden ein und fanden hier für die Nacht ein recht gutes Unterkommen. Der folgende Tag mußte nun genügen, die Farm
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