Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Schauermär, daß
    es Steine, Asche, Lava und Schlacken über das Land regne.
    Man hätte nun dagegen darauf hinweisen können, daß
    das Getöse – wenigstens bei einem Vulkanausbruch – hätte
    deutlicher werden und daß dabei Flammen über dem
    Kamm der Bergkette hätten aufleuchten müssen. Glühende
    Lavaströme hätten doch auch bei der Finsternis dem Blick
    nicht entgehen können. Aber nach dergleichen fragte nie-
    mand; die zu Tode erschreckten Leute versicherten nur, in
    ihren Häusern Erschütterungen des Erdbodens gefühlt zu
    haben. Es war ja übrigens möglich, daß solche Erschütte-
    rungen durch den Sturz eines riesigen Felsblocks verursacht
    worden wären, der sich etwa von der Wand der Bergkette
    abgelöst haben könnte.
    Alle warteten, eine Beute tödlicher Angst, und hielten
    — 13 —
    sich bereit, nach Pleasant Garden oder Morganton zu flüch-
    ten.So verrann 1 Stunde ohne weiteren Zwischenfall. Kaum
    machte sich eine westliche, durch den langen Schirm der
    Appalachen abgeschwächte Brise bemerkbar, die durch die
    steifen Nadeln der in der Niederung angehäuften Koniferen
    hinstrich.
    Es geschah also nichts, was die Leute aufs neue er-
    schreckt hätte, und jeder dachte daran, in sein Haus zurück-
    zukehren, da es den Anschein hatte, als ob nichts weiter zu
    fürchten sei, doch sehnten sich alle danach, daß es endlich
    wieder hell würde.
    Daß hier ein Einsturz erfolgt und wohl ein großes Fels-
    stück von der Höhe des Great Eyrie herabgerollt war, un-
    terlag ja keinem Zweifel. Beim ersten Tagesschein mußte
    es leicht sein, sich darüber Gewißheit zu verschaffen, wenn
    man um den Fuß des Berges, eine Strecke von einigen Mei-
    len, herumging.
    Da kam es aber gegen 3 Uhr früh zu einem neuen Alarm:
    Über dem felsigen Rand des Great Eyrie züngelten plötzlich
    Flammengarben auf. Von den Wolken widergespiegelt, ver-
    breiteten sie in weitem Umkreis eine gespenstische Hellig-
    keit. Gleichzeitig vernahm man ein deutliches Krachen vom
    Berg her.
    Man fragte sich, ob da oben eine Feuersbrunst ausge-
    brochen wäre und was wohl eine solche verursacht haben
    könnte. Das Feuer vom Himmel konnte sie nicht entzün-
    det haben, denn niemand hatte einen Blitz herniederzucken
    — 14 —
    sehen. An Nahrung hätte es einem Feuer freilich nicht ge-
    fehlt. Die Alleghenykette ist, ebenso wie die Cumberland
    und die Blue Ridge Mountains, auch hoch oben noch mit
    Wald bedeckt. Dort sprossen noch zahlreiche Bäume, Zy-
    pressen, Fächerpalmen und andere Bäume mit beständiger
    Belaubung.
    »Ein Ausbruch! . . . Ein Ausbruch!«
    So erschallte es von allen Seiten. Ein Ausbruch! Der
    Great Eyrie bildet also den Krater eines bis tief ins Erdin-
    nere hinabreichenden Vulkans? Sollte dieser, nachdem
    er so viele Jahre, ja vielleicht Jahrhunderte geschlummert
    hatte, jetzt zu erneuter Tätigkeit erwachen? . . . Würde sich
    zu den Flammen noch ein Steinregen, ein Auswurf von glü-
    henden Massen gesellen? Glitten wohl bald geschmolzene
    Lavamassen herunter, eine Lawine oder ein Feuerstrom, der
    auf seinem Weg alles verbrannte, der Flecken und Dörfer
    und Farmen, kurz, die ganze Gegend mit ihren Ebenen, Fel-
    dern und Waldungen bis hinaus nach Pleasant Garden oder
    Morganton verwüstete?
    Jetzt überstieg der Schrecken alle Grenzen . . . nichts
    konnte ihn mehr aufhalten. Wahnsinnig vor Entsetzen
    schleppten die Frauen ihre Kinder fort und stürmten auf
    den Wegen nach Osten hin, um so schnell wie möglich
    dem Schauplatz dieser tellurischen Störungen zu entflie-
    hen. Die Männer wieder räumten ihre Häuser aus, packten
    zusammen, was ihnen am wertvollsten war und ließen die
    Haustiere frei, die – Pferde, Rinder und Schafe durcheinan-
    der – nach allen Seiten hin zerstoben. Welch schrecklichen

    — 15 —
    — 16 —
    Wirrwarr ergab dieser Haufe von Menschen und Tieren in
    der dunklen Nacht, als er sich dahinwälzte durch die vom
    Feuer des Vulkans bedrohten Wälder und längs sumpfiger
    Gewässer, die vielleicht bald austreten sollten. Ja, vielleicht
    fehlte es den Fliehenden zuletzt selbst an Boden, denn wür-
    den sie auch noch Zeit finden, sich zu retten, wenn eine La-
    wine glühender Lava sich herunterwälzte, ihnen den Weg
    abschnitt und jede weitere Flucht unmöglich machte?
    Einzelne der reicheren Farmbesitzer erwiesen sich je-
    doch überlegter und hatten sich der sinnlos erschreckten
    Menge, die sie nicht zurückhalten konnten, nicht ange-
    schlossen.
    Sie wagten sich vielmehr bis auf 1

Weitere Kostenlose Bücher