Herr des Chaos
war, gestattete ihr, überhaupt auch nur zu versuchen, neue Ter'Angreal herzustellen. Aber es gab so vieles, was sie nicht wußte und was sie nur raten konnte.
»Willst du die ganze Nacht über dort sitzen bleiben?« fragte Nynaeve trocken, und Elayne fuhr zusammen. Nynaeve stellte einen der Keramikbecher auf den Tisch zurück und legte sich auf dem Bett zurecht, die Hände auf dem Bauch gefaltet. »Du warst doch diejenige, die gemeint hat, wir sollten sie nicht warten lassen. Was mich betrifft habe ich nicht vor, diesen Beißzangen eine Ausrede zu liefern, mir die Schwanzfedern abzukauen.«
Hastig schob Elayne den gefleckten Ring - er bestand nicht mehr aus wirklichem Stein, obwohl sie damit begonnen hatte - auf eine Schnur, die sie sich um den Hals hängte. Der zweite Keramikbecher enthielt ebenfalls einen Kräutersud, den Nynaeve zubereitet hatte, leicht mit Honig gesüßt, damit er nicht ganz so bitter schmeckte. Elayne trank ungefähr die Hälfte davon. Ihrer Erfahrung nach reichte das vollkommen aus, um ihr einen ruhigen Schlaf zu bescheren, selbst wenn sie Kopfschmerzen hatte. Diese Nacht jetzt gehörte zu jenen, in denen sie sich keinen Zeitverlust leisten konnte.
Sie streckte sich auf dem engen Bett aus, so gut es ging, gebrauchte ganz kurz die Macht, um die Kerze zu löschen, und dann wedelte sie sich mit ihrem Hemdzipfel ein wenig Kühle zu. Nun, eher eine sanfte Luftbewegung, sonst nichts. »Ich wünschte, es ginge Egwene endlich wieder besser. Ich habe es satt, lediglich die paar Brocken zu hören, die uns Sheriam und die anderen vorwerfen. Ich will wissen, was geschieht!«
Ihr wurde bewußt, daß sie hier ein empfindliches Thema berührt hatte. Egwene war vor eineinhalb Monaten in Cairhien verwundet worden, an dem Tag, als Moiraine und Lanfear starben. Am Tag, als Lan verschwand.
»Die Weisen Frauen sagen, daß sie langsam wieder gesund wird«, murmelte Nynaeve schläfrig aus dem Dunklen. Ausnahmsweise schien sie dem Gedankengang einmal nicht bis zu Lans Person hin gefolgt zu sein. »Das behaupten jedenfalls Sheriam und ihr kleiner Kreis, und sie hätten keinen Grund zum Lügen, selbst wenn ihnen das möglich wäre.«
»Also, ich würde ja nur zu gern morgen abend bei Sheriam Mäuschen spielen.«
»Da könntest du genausogut wünschen...« Nynaeve unterbrach sich und gähnte. »Da kannst du genausogut wünschen, daß dich der Saal gleich zur Amyrlin kürt. Das könnte vielleicht sogar klappen. Bis die sich endlich für jemanden entscheiden, sind unsere Haare grau genug für diesen Posten.«
Elayne öffnete den Mund, um zu antworten, doch nach dem Beispiel der anderen kam nur ein Gähnen heraus. Nun begann Nynaeve zu schnarchen, wohl nicht laut, aber doch sehr nachdrücklich. Elayne schloß die Augen, konnte aber ihre Gedanken noch keineswegs abschalten.
Der Saal zögerte allerdings alles hinaus. Die Sitzenden trafen sich an manchen Tagen nur vielleicht eine Stunde lang und oftmals überhaupt nicht. Wenn man eine von ihnen darauf ansprach, gewann man den Eindruck, das habe alles noch soviel Zeit... Ob wohl natürlich die Sitzenden der sechs Ajahs - in Salidar gab es selbstverständlich keine Roten - anderen Aes Sedai nicht mitteilten, worüber sie bei ihren Sitzungen gesprochen hatten, und einer Aufgenommenen sagten sie schon gar überhaupt nichts. Sie hatten ja eigentlich Grund genug, sich zu beeilen. Wenigstens ihre Absichten blieben noch geheim, wenn schon ihre Versammlung an diesem Ort nicht mehr geheim war. Elaida und die Burg würden sie auf die Dauer nicht weiter ignorieren können. Darüber hinaus standen die Weißmäntel nur wenige Meilen entfernt in Amadicia, und es gingen Gerüchte um, die Drachenverschworenen befänden sich bereits hier in Altara. Das Licht mochte wissen, was die Drachenverschworenen alles anstellten, falls Rand sie nicht unter Kontrolle bekam. Der Prophet selbst war ein gutes Beispiel dafür, oder auch ein schreckliches, wie man es eben betrachtete.
Aufruhr, Häuser und Bauernhöfe niedergebrannt, Menschen ermordet, und alles nur, weil sie nicht genug Eifer dabei zeigten, den Wiedergeborenen Drachen zu unterstützen.
Nynaeves Schnarchen klang, als zerreiße jemand Stoff, aber zum Glück kam es aus einiger Entfernung. Elayne gähnte erneut so sehr, daß ihre Kiefer knackten. Dann drehte sie sich zur Seite und preßte die Wange auf das dünne Kissen. Gründe, sich zu beeilen. Sammael saß in Illian, nur ein paar hundert Meilen von hier entfernt, und das war viel zu
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