Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr des Chaos

Herr des Chaos

Titel: Herr des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
wollte er von Min, daß sie die Adligen mit ihrer Gabe betrachtete, die nacheinander zu ihm kamen und nach seinem Wohlbefinden fragten - jene, die die Knie beugten, mußten die Gerüchte in Umlauf gebracht haben -, lächelten und ihn fragten, wie lange er dieses Mal in Cairhien zu bleiben beabsichtigte, welche Pläne er hätte, wenn sie fragen dürften, noch stärker lächelten, immer lächelten. Der einzige, der ihn nicht bewußt anlächelte, war Dobraine, der seinen Schädel noch immer wie ein Soldat rasiert hatte und noch immer die Streifen auf dem durch den Brustharnisch zerschlissenen Umhang trug. Dobraine stellte so verdrießlich genau dieselben Fragen, daß Rand über seinen Weggang fast glücklicher war als bei den anderen.
    Min gelang es, bei jenen Anhörungen dabeizusein, sich diese Zeit zu nehmen zwischen dem, was auch immer sie bei den Weisen Frauen tat. Rand hatte nicht die Absicht, sie danach zu fragen. Es war jedoch nicht so einfach, sie verborgen zu halten.
    »Ich könnte doch vorgeben, deine Dirne zu sein«, schlug Min lachend vor. »Ich würde auf deinem Schoß posieren und dich mit Trauben füttern - nun, mit Rosinen; ich habe seit einiger Zeit keine Trauben mehr gesehen -, und du nennst mich deine kleine Honiglippe. Dann würde sich niemand fragen, warum ich hier wäre.«
    »Nein«, fauchte er, und sie wurde ernst.
    »Glaubst du wirklich, die Verlorenen würden mich nur deswegen verfolgen?«
    »Vielleicht«, antwortete er genauso ernst. »Ein Schattenfreund wie Padan Fain würde es tun, wenn er noch lebt. Das will ich nicht riskieren, Min. Und ich will auf keinen Fall, daß diese Cairhiener oder auch die Tairener mit ihren schmutzigen Vorstellungen so von dir denken.« Die Aiel waren anders. Sie hielten ihre Neckereien für sehr spaßig.
    Min war sicherlich wankelmütig. Ihr Gesichtsausdruck konnte sich schlagartig von purer Ernsthaftigkeit in ein Strahlen verwandeln, in ein vollkommenes Lächeln, das kaum einen Moment wich. Bis die Anhörungen tatsächlich begannen.
    Es mißlang, Min in einer Ecke des Vorraums hinter einem Paneel aus vergoldetem Gitterwerk zu verbergen. Maringils dunkel schimmernde Augen vermieden es so angestrengt hinzusehen, daß Rand erkannte, daß der Mann den Sonnenpalast vollkommen auseinandernehmen würde, um herauszufinden, was sich hinter dem Paneel verbarg. Der Wohnraum erwies sich als bessere Möglichkeit, weil Min durch die rissigen Türen in den Vorraum spähen konnte. Nicht jeder Besucher zeigte ihr während der Anhörung seine Aura, aber was sie sah, war freudlos. Maringil, weißhaarig, messerscharf und kalt wie Eis, würde durch einen Dolch sterben. Colavaere, deren außerordentlich hübsches Gesicht ruhig und gefaßt war, als sie erfuhr, daß Aviendha dieses Mal nicht bei Rand war, würde durch den Strang sterben. Meilan mit dem Spitzbart und der tranigen Stimme würde durch Gift sterben. Die Zukunft forderte einen hohen Tribut von den edlen Herren von Tear. Aracome und Maraconn und Gueyam würden alle einen blutigen Tod in einer Schlacht sterben. Min sagte, sie hätte noch niemals zuvor so häufig den Tod gesehen.
    Als sie an ihrem fünften Tag in Cairhien Blut auf Gueyams breitem Gesicht sah, fühlte sie sich bei dem Gedanken so schlecht, daß Rand sie sich hinlegen hieß und Sulin feuchte Tücher brachte, die sie ihr auf die Stirn legte. Dieses Mal saß er auf der Matratze und hielt ihre Hand. Sie klammerte sich daran fest.
    Ihre Neckereien gab sie jedoch nicht auf. Die beiden Gelegenheiten, bei denen er sich ihrer Anwesenheit vollkommen sicher sein konnte, waren Schwertübungen mit den besten tairenischen und cairhienischen Soldaten und Raufereien mit Rhuarc oder Gaul. Min ließ dann unausweichlich einen Finger über seine bloße Brust gleiten und machte irgendeinen Scherz über Schafhirten, die nicht schwitzten, weil sie daran gewöhnt seien, genauso dicke Wolle wie ihre Schafe zu tragen. Manchmal berührte sie auch die niemals ganz heilende Narbe an seiner Seite, diesen Kreis hellrötlicher Haut, aber anders, sanfter. Darüber scherzte sie niemals. Sie kniff ihm ins Gesäß - bestürzenderweise mußte man sagen, daß sie es zumindest tat, wenn andere Leute in der Nähe waren; Töchter des Speers und Weise Frauen krümmten sich jedesmal vor Lachen, wenn er hochschrak -, schmiegte sich auf seinen Schoß, küßte ihn bei jeder Gelegenheit und drohte sogar damit, ihm in der Badewanne den Rücken zu schrubben. Als er so tat, als weine und stammele er, lachte sie

Weitere Kostenlose Bücher