Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern.
durcheinander zu wirbeln, dass es nur so flimmerte.
Nach zwei Sekunden, es können auch drei, aber höchstens vier gewesen sein, war der Stundenplan fix und fertig. Der Stundenplan für das neue Schuljahr, und zwar für die ganze Rudolf schule.
Nicht eine der vielen Stunden war übrig geblieben, nicht eine einzige fehlte.
Da konnte der Herr Oberlehrer König nur staunend den Kopf schütteln und große Augen machen.
»Donnerwetter, Herr Kollege! Das ist ja, als ob Sie zaubern könnten!«
»Das habe ich Ihnen ja schon gesagt, Herr Oberlehrer«, antwortete der Herr Klingsor bescheiden. »Ich kann es tatsächlich. Ein bisschen nur - aber immerhin.«
Die erste Schulstunde
Die großen Ferien waren zu Ende. Vorher waren Herrn Klingsors Schulkinder noch in die zweite Klasse gegangen, seit heute gingen sie in die dritte. Sechsunddreißig Kinder im Ganzen. Siebzehn Mädchen und ... Nein, wie viel Buben es waren, verrate ich nicht. Das bleibt mein Geheimnis.
Also, die großen Ferien waren zu Ende, das neue Schuljahr begann. Es begann mit der ersten Schulstunde. Und die erste Schulstunde begann damit, dass der Herr Schuldiener Büttner im Treppenhaus die Glocke läutete. Es war eine Handglocke mit einem langen hölzernen Stiel. Er schwenkte sie pünktlich um acht, dass es nur so schepperte.
Die Kinder der dritten Klasse standen an ihren Plätzen in den Schulbänken. Nach dem Läuten öffnete sich die Klassentür und der neue Lehrer betrat das Schulzimmer. Nicht zu groß war er, nicht zu klein. Weder besonders dick noch besonders dünn. Aber mit lustigen braunen Augen.
»Grüß Gott, Kinder!«
»Grüß Gott, Herr Lehrer Klingsor!«
Woher kannten die Kinder Herrn Klingsors Namen? No, Kunststück! Ihr werdet es euch schon denken können.
Herrn Klingsors Schulkinder ahnten natürlich nicht, dass der Herr Lehrer Klingsor ein bisschen zaubern konnte. Und der Herr Lehrer Klingsor dachte auch nicht im Traum daran, es ihnen zu sagen. Sie machten ja nicht gerade den Eindruck, als wären sie auf den Kopf gefallen. Im Gegenteil.
»Ich bin also euer neuer Lehrer«, sagte Herr Klingsor. »Ob wir das neue Schuljahr mit einem Lied beginnen? Was meint ihr dazu?«
»Oh ja, Herr Klingsor!«, riefen die Kinder. »Mit einem Lied!«
»Ich weiß aber nicht, was für Lieder ihr könnt. Was möchtet ihr denn am liebsten singen?«
»Frisch auf, ihr Wandersleut!«, rief der Peter Wagner aus der vierten Bankreihe. Und fünf, sechs andere Buben stimmten ihm lautstark zu: »Oh ja, Herr Lehrer! Frisch auf, ihr Wandersleut!«
Einige Mädchen, darunter die Hilde Bienert aus der zweiten Bankreihe, waren da anderer Meinung. »Nein, nein, bitte! Lieber das Lied vom Schneegebirge!«
Andere Mädchen hätten am liebsten das Lied vom Heideröslein gesungen. Und ein paar Buben verlangten das Jägerlied »Auf, auf zum fröhlichen Jagen!«.
So hatten alle ihre besonderen Wünsche. Nur das blasse Mariechen Kleinwächter saß still wie immer an seinem Platz und rührte sich nicht. Natürlich wünschte sich auch das Mariechen ein Lied. Es begann mit den Worten: »In einem kühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad.« Dieses Lied war so wunderschön traurig, dass es dem Mariechen immer ganz warm dabei um die Augen wurde. Aber die anderen Kinder hätten bestimmt leein trauriges Lied gemocht. Besser gar nicht erst davon anfangen.
»Schon gut, schon gut!« Der Herr Lehrer Kling-sor hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu. »Wie soll denn ein einziger Mensch verstehen, was ihr da durcheinander ruft! Wisst ihr was, Kinder? Da fällt mir etwas ein ...«
Damals konnte im Königreich Böhmen jeder Lehrer noch Geige spielen, auch der Herr Klingsor natürlich. »Gebt Acht, welches Lied ich spiele -und singt es dann alle mit!«
Er stimmte die Saiten, dann nahm er die Geige ans Kinn und setzte den Bogen an. Gespannt warteten alle sechsunddreißig Kinder darauf, welches Lied der Herr Klingsor anstimmen würde.
Und welches Lied stimmte er an, der Herr Lehrer Klingsor?
»Frisch auf, ihr Wandersleut!« Der Wagner Peter und seine Freunde sangen begeistert mit. Und alle anderen Kinder mussten auch mitsingen - ob sie sich nun das Lied gewünscht hatten oder nicht.
Aber was hörten und sangen die Kinder wirklich?
Die Hilde Bienert und alle übrigen Mädchen, die sich das Lied vom Schneegebirge gewünscht hatten, hörten und sangen das Lied vom Schneegebirge. Die andern Mädchen sangen das Lied vom Heideröslein. Und die restlichen Buben schmetterten aus voller Kehle
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