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Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern.

Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern.

Titel: Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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Ungarn - und dort spricht man Ungarisch.
    Da kam sich der Hugo Hampel schrecklich verlassen vor in der neuen Schulklasse, die er von nun an besuchen sollte, weil er gestern mit seinen Eltern hierher übersiedelt war. Und als er sich ganz allein in die letzte Bank setzen musste, der Hugo, weil keines der fremden Kinder ihn neben sich haben wollte, da hätte nicht viel gefehlt und er hätte losgeheult wie ein Schlosshund.
    Was für ein Glück für den Hugo Hampel, dass wenigstens der Herr Lehrer Deutsch konnte!
    »Mach dir nichts draus, Hugo!« Hörte sich seine

    Stimme nicht wie Herrn Klingsors Stimme an? »Irgendwas wird uns schon einfallen, weißt du ...«
    »Oh ja, bitte!«, hat der Hugo im Traum dem Herrn Klingsor geantwortet. »Irgendwas wird uns schon einfallen mit dem Franzi Molnar ...«
    Er hat dann ganz ruhig weitergeschlafen, der Hugo Hampel. Dass heut Nacht auch die andern Kinder der dritten Klasse das Gleiche wie er geträumt hatten, und zwar alle - das hat er natürlich nicht wissen können. Sie haben auch niemals darüber gesprochen, selbst mit Herrn Klingsor nicht.
    Aber vom nächsten Morgen an sind sie alle besonders nett und besonders freundlich zum Franzi gewesen. Und Hampels Hugo hat den Herrn Klingsor sogar gebeten: »Darf ich mich, bittschön, nach hinten setzen zum Franzi Molnar, Herr Lehrer?«
    Da hat der Herr Klingsor natürlich nicht Nein gesagt. Und man sollte es kaum für möglich halten, wie rasch es der Franzi mit Hugos Hilfe geschafft hat, ein bisschen Deutsch zu lernen.
    Und noch ein bisschen und noch ein bisschen -und alle Tage ein bisschen mehr.

Die Dreithaler-Zwillinge
    Zu den Kindern in Herrn Klingsors Klasse gehörten zwei Mädchen, das waren die Dreithaler-Zwillinge. Eine hieß Franziska, eine Klärchen. Und wie das bei echten Zwillingsschwestern so üblich ist, sahen sie sich zum Verwechseln ähnlich. Besonders dann, wenn beide die gleichen Kleider trugen. Und das war meistens der Fall.
    Nicht genug damit, dass sie auf den Tag genau gleich alt waren. Sie waren auch auf den Zentimeter genau gleich groß. Beide hatten blonde Zöpfe und braune Augen. Beide verzogen beim Lachen die Lippen ein bisschen nach links. Und wenn sie »S« sagten, stießen beide ganz leicht mit der Zunge an.
    Ja, es war wirklich schwierig, die Dreithaler-Zwillinge auseinander zu halten. Das schaffte manchmal sogar ihre eigene Mutter nicht, vom Vater Dreithaler nicht erst zu reden. Und auch vom Herrn Klingsor nicht.
    Die Dreithaler-Zwillinge haben natürlich gewusst, dass niemand sie auseinander halten konnte. Und das haben sie kräftig ausgenützt. Daheim, in der Schule und überhaupt.
    Wenn der Herr Lehrer Klingsor, zum Beispiel, in der Sprachlehrestunde vom Klärchen wissen wollte, wie das Zeitwort »schreiben« in der ersten Person Einzahl der ersten Vergangenheit lautet, dann wusste er nie, ob es wirklich das Klärchen war, das ihm zur Antwort gab: »Die erste Person Einzahl der ersten Vergangenheit lautet: >Ich schreibste<.«
    Nun war der Herr Klingsor ja keineswegs auf den Kopf gefallen. Deshalb setzte er die Dreithaler-Zwillinge ein ganzes Stück auseinander. Das Klärchen links in die zweite Bank, die Franziska rechts in die vierte.
    Wenn er dann aber, beispielsweise, Dreithalers Franziska zur Ordnung rief, weil sie mit Bienerts Hilde geschwätzt hatte, konnte es durchaus sein, dass sich rechts in der vierten Bank Dreithalers Klärchen erhob und mit vorwurfsvoller Miene erklärte: »Wie kann ich denn mit der Hilde schwätzen, Herr

    Lehrer, wenn ich doch neben der Annelies Petrak sitze?«
    So war das also mit der Franziska und mit dem Klärchen. Und der Herr Lehrer Klingsor, der ein verständiger Mensch war, sagte sich: »Wenn ich selber ein Zwilling wäre und meinem Bruder gleich sähe wie ein Ei dem andern - wir hätten wohl auch unsern Spaß dran ...«
    Doch jede Geduld hat Grenzen, selbst Herrn Klingsors Geduld.
    Eines Nachmittags im Oktober (damals gab es noch jeden Nachmittag Unterricht, außer mittwochs und samstags) - eines Nachmittags im Oktober also, und zwar in der Zeichenstunde, verirrte sich eine späte Fliege ins Zimmer der dritten Klasse. Eine von diesen dicken Herbstfliegen. Sie war nicht zu sehen, aber man hörte sie. Mit lautem Summsen zog sie ihre Kreise: »Dssssssssumm - dsssumm -dsssumm - dsssummdsssummdsssummdsssumm-dsssummdssumm!«
    Die Kinder zogen die Köpfe ein und begannen zu kichern. Gab es wohl eine Fliege auf Gottes Erde, die, wenn sie summte, beim S mit der Zunge

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