Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern.
anstieß? Ganz leicht nur - aber doch so, dass niemand es überhören konnte?
Auch der Herr Lehrer Klingsor hörte das angestoßene Zungen-S, er war ja nicht taub. »Franziska!«, rief er. »Du machst mich nervös damit. Lass das, bitte!«
»Was haben Sie denn, Herr Lehrer?« Franziska zog schmollend die Lippen ein bisschen nach links. »Das bin ich doch gar nicht!«
»Dann bitte ich tausendmal um Entschuldigung«, sagte Herr Klingsor.
Und wieder summste die späte Fliege im Klassenzimmer herum. Und auch jetzt wieder, ganz und gar unüberhörbar, stieß sie beim S mit der Zunge an.
»Klärchen!«
»Bittschön, Herr Lehrer?«
»Ich bitte dich, sei ein liebes Mädchen, Klärchen - und lass das gefälligst bleiben!«
»Ich?«, fragte Dreithalers Klärchen. »Was soll ich denn, bitte, bleiben lassen, Herr Lehrer?«
Na gut, dann half offenbar nur noch Llerrn Klingsors bewährtes Fingerschnalzen. Und siehe da! - schon summste die nächste Fliege im Klassenzimmer herum: eine Fliege, die nicht mit der Zunge anstieß beim Summsen.
Und wieder zogen die Kinder kichernd die Köpfe
ein. Diesmal auch beide Dreithaler-Zwillinge: auch das Klärchen, auch die Franziska. Die späte Herbstfliege summste über die Köpfe der Kinder hinweg. Sie zog ihre Kreise enger und immer enger. Und schließlich ließ sie sich auf Franziskas Wange nieder. Auf ihrer linken Wange, um ganz genau zu sein.
Und die Franziska Dreithaler?
Die Franziska hat kaum was davon gespürt. Sie hat mit der Hand gewedelt und wollte die Fliege wegscheuchen. Doch die Fliege (Herrn Klingsors Fliege, wir ahnen es) hat sich gerade noch rasch auf Franziskas linker Wange verewigen können. Auf Fliegenart. Leicht, ganz leicht nur, in Form eines winzigen braunen Tüpfelchens - aber für alle Zeiten.
Von jetzt an brauchte Herr Klingsor bloß näher hinzuschauen, dann konnte er an dem Tüpfelchen gleich erkennen, wer von den Dreithaler-Zwillin-gen die Franziska und wer das Klärchen war.
Und näher hinschauen musste man schon, wenn man tatsächlich einen Unterschied zwischen den beiden ausmachen wollte. Selbst jetzt noch.
Rechtschreiben ist keine Kunst
Mit dem Rechtschreiben ist es so eine Sache. Manche Kinder erlernen es spielend und manche überhaupt nicht. Die meisten Kinder haben anfangs ein bisschen Mühe damit, aber es lohnt sich, die Mühe aufzubringen. Denn, wie der Herr Oberlehrer König zu sagen pflegte: »Das Rechtschreiben zu erlernen ist keine Kunst, sondern hauptsächlich eine Frage des Fleißes, der Übung und des guten Willens.«
Am Fleiß und am guten Willen haben es die Kinder der dritten Klasse nicht fehlen lassen. Und dass sie ausreichend Gelegenheit bekamen, sich im Rechtschreiben auch zu üben - dafür hat schon der Herr Klingsor gesorgt.
»Wisst ihr«, hat er zu ihnen gesagt. »Richtig schreiben zu lernen, das solltet ihr eigentlich schon aus Höflichkeit tun. Weil es den andern Leuten dann sehr viel leichter fällt, das zu lesen und zu verstehen, was ihr geschrieben habt.«
»Und außerdem, bitte!«, sagte das Lottchen Holdgrün. »Außerdem macht man sich bei den Leuten lächerlich, wenn man die deutsche Rechtschreibung nicht beherrscht. Das hat mir mein Papi gesagt und mein Papi weiß das.«
» Mag sein.« Herr Klingsor wollte sich zu der Meinung von Lottchens Papi nicht weiter äußern. »Das Rechtschreiben ist eine Art von Gesellschaftsspiel«, fuhr er fort. »Eine Art von Gesellschaftsspiel, das nach festen Regeln gespielt wird, ganz ähnlich wie andere Spiele auch. Und ganz ähnlich wie manche anderen Spiele, ich denke an Schach oder Mühle, bietet uns auch das Rechtschreiben gute Gelegenheit den Verstand zu üben. Und das, muss ich sagen, finde ich gar nicht schlecht.«
Rechtschreiben als Gesellschaftsspiel - und zwar auch in der Schule!
Ihr werdet euch vorstellen können, dass es den Kindern der dritten Klasse Spaß machte, dieses Spiel mit Herrn Klingsor zu spielen.
Und weil das Spiel ihnen Spaß machte, lernten sie bald seine Regeln einzuhalten. Das ging wie geschmiert, selbst beim Franzi Molnar, dem auch sonst das Erlernen der deutschen Sprache nicht weiter schwer fiel. Nicht zuletzt dank Herrn Kling-sors Hilfe, wie man vermuten darf.
So wäre denn, was das Rechtschreiben anging, alles in bester Ordnung gewesen, hätte nicht Plischkes Gustav mit in Herrn Klingsors Klasse gesessen. Und ihm, dem Gustav, wir müssen es leider sagen, machte das Rechtschreiben solche entsetzlichen Schwierigkeiten, dass selbst Herr Kling-sor
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