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Herr Lehmann: Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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sich vordrängelnd, andere aus der zweiten Reihe mit Geldscheinen wedelnd, sie wollten alle seine Aufmerksamkeit erregen, und er war gut darin zu erkennen, wer als naächster dran war und wer sich nur vordraängelte. Er war uäberhaupt gut, bei ihm saß jeder Handgriff, und mit einer Geschwindigkeit, die in der ganzen Kneipenszene ihresgleichen suchte, machte er Bierflaschen auf, mischte Weinschorlen zusammen, goß Schnaäpse je nach Bekanntheitsgrad und Sympathie mehr oder weniger großzuägig in die Glaäser, rechnete zusammen, kassierte, begruäßte Freunde und Bekannte, gab dem einen oder anderen was aus und föhlte sich wohl.
    Nach einer Weile kam Erwin wieder, und der fuählte sich jetzt auch wohl. Sein Gesicht glänzte rosig, er grinste und druckte Herrn Lehmann ein zusam-mengeknuälltes T-Shirt in die Hand.
    „Zieh dich erst mal um, geh in die Kuche, ich mach das hier schon", sagte er großartig.
    Herr Lehmann war nicht ganz so uäberzeugt davon, aber im Grunde konnte es ihm egal sein. Es war ja Erwins Laden. In der Kuäche lag neben dem großen Eimer fur das Altglas ein Zwanzigmarkschein. Das war Erwins allgemein bekannte und immer wieder belachte Methode, die Ehrlichkeit seiner Mitarbeiter zu erproben. Herr Lehmann steckte den Schein ein und zog sich das nasse T-Shirt aus. Das neue, von Erwin gestiftete, trug die Aufschrift: „VfB Stuttgart: Deutscher Meister 1983/84". Erwin kann einen immer wieder uäberraschen, dachte Herr Lehmann.
    Als er hinter den Tresen zuruckkehrte, goß Erwin sich gerade wieder einen ein, während auf der anderen Seite große Not herrschte. „Steht dir super", rief er und hielt einen Daumen hoch, eine Geste, die Herr Lehmann peinlich war.
    Hoär mal, Erwin" , sagte er, kann es sein, daß die zwanzig Mark, die ich gerade in der Käche gefunden habe, mir gehären? Mir ist so, als hatte ich da letztens zwanzig Mark verloren."
    Zwanzig Mark?" fragte Erwin scheinheilig und holte sein Portemonnaie raus. Er kramte darin herum und sagte: „Warte mal, nein, die hab ich da vorhin wahrscheinlich liegenlassen. Sind nicht mehr da."
    Neben dem Eimer?"
    „Ja, nee, die mussen runtergefallen sein."
    Was hast du denn mit einem Zwanzigmarkschein in der Kuäche gemacht, Erwin? Gekokst?"
    „Nix da, du Vogel. Das ist mein Geld, ehrlich."
    „Meinst du wirklich, Erwin? Am Ende gehären die Sylvio und Stefan. Die haben doch vorhin hier gearbeitet."
    Nein, nein" , Erwin wurde jetzt richtig aufgeregt, da bin ich ganz sicher, die gehären mir."
    Vielleicht sollten wir die solange hier deponieren, bis ich die beiden gefragt habe."
    Ich kuämmere mich drum", sagte Erwin und schnappte nach dem Schein, „ich mach das schon."
    Herr Lehmann verlor das Interesse an dieser Bloädelei und widmete sich den Gaästen. Draußen entlud sich ein heftiges Gewitter mit Blitz und Donner und allem was dazugehort. Die Leute waren ganz aufgekratzt und schauten fasziniert aus den Fenstern, und die Bumm-Bumm-Musik, die Herr Lehmann auf Autoreverse gestellt hatte, hämmerte dazu gleichförmig aus den Boxen. Niemand kam und niemand ging, und das Gefuhl, daß man jetzt gar nichts anderes machen konnte, als zu bleiben, wo man ist, und zu saufen, was das Zeug hält, hatte eine enthemmende Wirkung auf alle. Es ist ein bißchen wie hitzefrei, nur umgekehrt, dachte Herr Lehmann, waährend er in den Keller ging, um mehr Kisten mit Bier nach oben zu bringen.
    Als er wieder auftauchte, stand Erwin etwas abseits vom Tresen und betrieb mit ein paar Bekannten Kuämmerling-Trinken mit Nummern und ohne
    Hönde, und Herr Lehmann freundete sich mit der Aussicht an, den Rest des Abends alleine zu arbeiten. Draußen regnete es in den folgenden zwei Stunden, als wollte der liebe Gott Kreuzberg für immer reinwaschen, sonst passierte nicht viel, außer daß die Kneipeninsassen, Erwin allen voran, sich zielstrebig betrunken machten. Einmal johlte alles, als eine Kolonne Feuerwehrwagen mit einem Hoällenläarm vorbeiraste, und der Weizenbiertrinker, der immer am Tresen saß und wahrscheinlich Volker hieß, versuchte, Herrn Lehmann in ein Gespräch uber den Regen zu verwickeln. „Wenn er Blasen schlägt, so in den Pfötzen Blasen schlägt", sagte er, „dann hört's bald auf mit dem Regen, dann hort's bald auf."
    Herr Lehmann ging darauf nicht ein, er nickte nur und schenkte ihm ein Kristallweizen ohne Zitrone för diesen schönen Gedanken. Ansonsten schaute er, wenn es die Arbeit erlaubte, ein bißchen hinaus in den Regen. Es sah so aus, als ob

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