Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Herr Lehmann: Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
Vom Netzwerk:
DDR."
    Na dann" , sagte Herr Lehmann, der nicht wußte, woruöber er sich sonst noch mit ihr unterhalten könnte. „Mal sehen."
    Sie legte ihm einen Finger auf die Brust. „Solltest du machen. Siehst möde aus. Polen ist nicht weit."
    Nein" , gab Herr Lehmann zu und wurde sich ploötzlich bewußt, noch nie öber Polen nachgedacht zu haben, „weit ist das nicht."
    Mußt auch mal ein bißchen was anderes machen" , sagte sie und sah ihn wieder so seltsam an. Herrn Lehmann wurde ein bißchen flau um den Magen herum.
    Ploötzlich stand Erwin bei ihnen. Herr Lehmann, hilf mal dem Karl, der baut da nur Scheiße", sagte er.
    Wieso?"
    „Keine Ahnung, wieso. Kerle, Kerle, ich mach mir langsam echt Sorgen."
    „Du mußt mal Urlaub machen", sagte die Polin zu ihm. „Siehst möde aus."
    Herr Lehmann ließ die beiden allein und schaute nach Karl. Der putzte seelenruhig die Kaffeemaschine, waöhrend hinter seinem Ruöcken die Meute nach Getraönken rief.
    Was ist los mit dir, Karl?" fragte er. Warum putzt du die Kaffeemaschine. Das kannst du doch spöter noch machen."
    Die ist total verspackt" , sagte Karl, ohne auch nur aufzusehen. Ich mach die mal eben fertig." Er wienerte an der Maschine herum, als ob gleich die Kaffeemaschinenkontrolle kame. Herr Lehmann hatte keine Lust, mit ihm zu streiten, und kuömmerte sich um die Leute. Das ging aber auch nicht, denn es war kein Beck's mehr da.
    „Karl, wir brauchen Bier."
    Ich muß das hier eben fertig machen. Habt ihr die denn die letzten Jahre nie geputzt?"
    Herr Lehmann faßte es nicht.
    „Bier, Karl, wir brauchen Bier."
    Ja, ja" , sagte sein bester Freund und putzte immer weiter.
    Das ist, dachte Herr Lehmann, waöhrend er sich schnell eine Zigarette anzöndete, wie wenn lauter blutende Verletzte herumliegen, aber die Ret-tungssanitöter waschen lieber ihren Wagen. Das ist, dachte er, wahrend er die Treppe zum Keller hinunterstörmte, wie wenn einer eine Bank uberfallt, aber die Polizisten buörsten lieber ihre Üniformen. Das ist, dachte er, wöahrend er mit einem Kasten Bier in jeder Hand die Treppe hinaufpolterte, wie wenn ein Schiff sinkt, aber die Mannschaft reinigt gerade das Deck.
    Oben angekommen, verkaufte er das Bier direkt aus dem Kasten an die Leute weiter, auch wenn einige Klugscheißer sich natuörlich gleich daruöber beschwerten, daß es nicht richtig kalt sei. „Bier will nicht kalt sein, Bier will getrunken sein" , hielt er ihnen den alten Ruf aus jenen Tagen entgegen, als er und Karl noch im Schrot und Korn gearbeitet hatten, wo Erwin auf den Luxus von Kuöhlschraönken und dergleichen von vornherein verzichtet hatte. Das heiterte ihn zwar ein wenig auf, aber er war trotzdem sehr beunruhigt. Karl putzte immer noch manisch an der Kaffeemaschine herum und machte mit seinem dicken Hintern die Raöume eng. Fruöher war es immer Karl gewesen, der sich um den Nachschub kummerte, das hatte ihm immer gelegen, und das Bier haötte schon vor langer Zeit nachgefuöllt sein muössen, aber Karl hatte sich wohl den ganzen Abend uberhaupt nicht darum gekömmert, obwohl er dauernd in den Keller gelaufen war und Quatsch geholt hatte. Das war wirklich beunruhigend, sehr beunruhigend. Es löuft nicht mehr rund mit uns beiden, dachte Herr Lehmann, und dieser Gedanke machte ihn traurig. Wir waren ein gutes Team, dachte er, aber das war einmal, wir waren mal ein perfektes Team, dachte er, so wie Bonnie und Clyde, wie Dick und Doof, wie Simon und Garfunkel, wie Sacco und Vancetti oder, dachte er, und mußte sich eingestehen, daß dies der Wahrheit am nöchsten kam, wie Bud Spencer und Terence Hill. Es ist Scheiße, 30 Jahre alt zu werden, ging es ihm durch den Kopf, man beginnt, eine Vergangenheit zu haben, eine gute alte Zeit und den ganzen Scheiß.
    Er ging gleich wieder in den Keller, um noch mehr Bier zu holen. Als er wieder hochkam, hatte Karl damit begonnen, Glöser zu polieren, immerhin, aber Ünsinn war auch das. Herr Lehmann fand genug Zeit, die Flaschen in die Kuöhlung zu tun, die meisten Leute hatten jetzt ihr Bier, wenn auch warmes, und die Kneipe begann sich auch schon wieder zu leeren, der Zenit war fur das Einfall fur heute nacht uberschritten, die Leute zogen weiter in irgendwelche anderen Kneipen und in Clubs und Discos und was wußte Herr Lehmann was. Übrig blieben die zwanzig oder dreißig Mann, för die es keine anderen Kneipen, Clubs oder Discos gab. Auch die Polen waren noch da, sie saßen an einem Tisch zusammen und entspannten sich, während die blonde

Weitere Kostenlose Bücher