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Herr Lehmann: Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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leicht gereizt war, weil Karl verschwunden blieb, langsam auf die Nerven zu gehen. Vielen Gästen ging es wohl ähnlich, die Sache verlor ein wenig ihren Reiz, die meisten konzentrierten sich wieder auf das Wesentliche und verlangten nach Bier. Als Herr Lehmann Karl endlich entdeckte, tanzte der gerade mit Katrin. Es sah seltsam aus, er hielt sie einfach mit einem Arm fest an sich gedruckt, hob sie ein bißchen an, bis ihre Fuße nicht mehr den Boden beröhrten, ruderte mit dem anderen Arm dazu in der Luft herum und torkelte so mit ihr durch die Leute. Das ist meine Technik, dachte Herr Lehmann ärgerlich, nur etwas verfeinert. Er kann es auch nicht, dachte er, aber er macht es trotzdem, und das beeindruckte ihn, man kann immer noch einiges von ihm lernen, dachte er. Als die Polen zu spielen aufhörten, stellte Karl sie wieder ab, und sie
    lachten beide und klopften sich auf den Rucken. Herrn Lehmann gefiel das nicht. Aber als sein bester Freund Karl wieder hinter den Tresen kam, ließ er sich nichts anmerken. Karl prostete ihm mit einem neuen Bier zu.
    „Ganz schän schwer, deine Kleine", sagte er augenzwinkernd. „Du mußt starker sein, als ich immer dachte."
    Herr Lehmann sah ihm prufend ins Gesicht. So redete er normalerweise nicht. Was sollen diese Schlupfrigkeiten, dachte er, aber es war nichts Boses oder Hinterhaältiges oder uäberhaupt irgend etwas im Gesicht seines besten Freundes zu entdecken, das einzig Seltsame war, daß er mit dem Grinsen und dem Zwinkern nicht mehr aufhäorte. Außerdem schwitzte er wie ein Schwein und atmete schwer.
    Schon klar" , sagte Herr Lehmann. Aber sag lieber nicht, daß sie meine Kleine ist, jedenfalls nicht, wenn sie das horen kann. Ich glaube, das kann sie nicht so gut ab, und dann fällt das auf mich zuräck."
    Ich schweige wie ein Grab", sagte sein bester Freund pathetisch und legte zwei Finger an seine Lippen. „Versiegelt."
    Herr Lehmann wußte wirklich nicht, was der Scheiß sollte. Sag mal, Karl, hast du irgendwie eine Krise oder so? Ich meine, ist irgendwas?"
    Was soll sein?" fragte sein bester Freund noch immer grinsend. Ist alles bestens." Und dann lachte er seltsam, irgendwie verklemmt, fand Herr Lehmann, und sein Arger kehrte sich um in leichte Besorgnis. Er ist ubermudet, dachte er, und kärperlich nicht auf dem Damm. Es ist wahrscheinlich nicht sein Tag.
    In diesem Moment kam die blonde Frau, die mit einem Hut herumging, zu ihm und fragte nach Geld fur die Musik. Herr Lehmann gab ihr zehn Mark aus der Kasse, und sie fragte ihn, ob er nicht auch mal Ferien in Polen machen wollte. Er schuättelte läachelnd den Kopf und sagte ihr, daß er schon seit Jahren keine Ferien mehr gemacht hatte. „Ich bin nicht der Typ fur Ferien", fugte er hinzu.
    „Jeder ist Typ fur Ferien", sagte sie und schaute ihm dabei seltsam direkt in die Augen. „Du mußt dich auch mal ausruhen. Siehst mude aus." Sie lächelte ihn an und holte eine Ringmappe hervor. Kannst du mieten, sind verschiedene Häuser, ist alles mäglich." Sie schlug die Mappe auf, und Herr Lehmann besah sich einige Fotos von Haäusern auf Wiesen und an Waldräandern, die auf Karton geklebt darin abgeheftet waren.
    „Schän", sagte er, weil er nicht wußte, was er sonst sagen sollte. Außerdem hatte er ja beschlossen, ab jetzt den Dingen etwas offener gegenuäberzustehen, und er dachte, er kännte jetzt gleich mal damit anfangen. Er bot der Frau eine Zigarette an, aber sie lehnte ab.
    Ich hab selbst, sind besser", sagte sie und nahm eine von ihren. Sind schäne Häuser, schäne Landschaft, kannst du mal Ferien machen, mit Freun-den, mit deiner Freundin."
    Naja" , sagte Herr Lehmann, jetzt ist Herbst, das ist nicht gerade die Zeit, um Urlaub zu machen. Ich meine, scheiß Wetter und so."
    „Im Winter ist wunderschon", sagte sie. „Schoner Schnee. Ich gebe dir mal meine Nummer."
    Sie nahm einen Bierdeckel und schrieb eine lange Telefonnummer auf. „Das ist Nummer in Polen", sagte sie, „da bin ich oft. Mußt du nur anrufen und Elzbietta sagen."
    Herr Lehmann war irgendwie verwundert, daß man einfach so in Polen anrufen konnte. Schließlich lag es hinter dem eisernen Vorhang und all das, was ihn wieder daran erinnerte, daß er seine Ostverwandtschaft noch anrufen mußte. Braucht man da kein Visum?" fragte er.
    Visum ist kein Problem", sagte sie, löachelte und sah ihm wieder direkt in die Augen. Sie stand auch sehr nah an ihm dran, und Herr Lehmann glaubte, ihr Haar riechen zu konnen. „Ist nicht so schlimm wie

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