Herr Lehmann: Herr Lehmann
wedelte mit dem Schwanz.
Guter Hund" , sagte Karl und ging in die Hocke. Der Hund kam zu ihm hin und leckte seine Hand.
„Ich kenne den Hund", sagte Herr Lehmann. „Schon lange. Den habe ich mal auf dem Lausitzer Platz getroffen. Morgens friih."
„Guter Hund", sagte Karl und setzte sich in den Dreck. Der Hund sprang auf ihn drauf und leckte ihn ab. Karl lachte und strampelte mit Armen und Beinen.
„Karl, das ist jetzt vielleicht ein bißchen zuviel des Guten", sagte Herr Lehmann vorsichtig. Er war ja im Grunde froh, daß sein bester Freund mal normales Zeug redete, auch wenn es dummes Zeug war. Aber es war sicher nicht gut, wenn er sich in schlammigen Pfutzen wälzte.
Karl achtete nicht auf ihn. Er rangelte mit dem Hund und walzte sich mit ihm herum, bis er oben lag. Der Hund japste und quiekte unter seinem Gewicht.
„Was hat er denn?" fragte Karl.
„Du liegst auf ihm drauf. Das tut ihm weh."
„Ach so." Karl stand auf, und der Hund lief weg.
„Bläder Hund", sagte Karl und lachte. Er war von oben bis unten voller Matsch, aber das machte ihm nichts aus.
„Karl, wir sollten mal zu dir nach Hause gehen. Du könntest vielleicht eine Dusche nehmen und ein bißchen schlafen."
„Ich will nicht nach Hause", sagte Karl und wollte in die andete Richtung. Herr Lehmann hielt ihn fest.
„Mach doch keinen Scheiß, guck doch mal, wie du aussiehst. So kannst du doch nirgendwo hingehen."
„Na gut", sagte Karl und stiefelte los, diesmal in die richtige Richtung. Herr Lehmann hatte fast Muhe, hinterherzukommen, Karl schritt weit aus und stiefelte geraden Weges durch alle Pfutzen zum Ausgang des Parks oben an der Görlitzer Straße. Kaum hatten sie allerdings den Park verlassen, blieb er wieder stehen.
„Ich muß noch was besorgen."
„Nein, laß mal."
„Doch, ich muß noch was besorgen."
„Du mußt erst mal nach Hause, so kannst du doch nichts besorgen."
„Was?"
„So kannst du nichts besorgen."
„Die wollen alle bloß ficken", sagte Karl und zog dazu mit seinem rechten Arm einen Halbkreis. „Alle."
„Es ist niemand da, Karl."
„Doch, alle. Heidi auch. Heidi hast du besonders lieb."
„ J a, ja! "
Herr Lehmann nahm Karl wieder an der Hand und zog ihn uber die Görlitzer Straße zur Cuvrystraße. Wenn er erst einmal in seiner Wohnung ist, dachte er, wird alles gut. Karl folgte ihm brav und sagte nichts mehr.
„Gib mal den Schlussel", sagte Herr Lehmann, als sie vor Karls Laden standen.
Karl stand nur da und guckte sich interessiert um.
„Gib doch mal den Schlussel", sagte Herr Lehmann.
Weißt du noch, wie wir zusammengewohnt haben?"
„Ja klar. Gib doch mal den Schlussel. Oder schließ selbst auf."
„Du hast immer Schokoladenpudding gemacht."
„Ich habe nie Schokoladenpudding gemacht. Ich mag uberhaupt keinen Schokoladenpudding."
„Das war gut."
„Gib doch mal den Schlussel, Karl."
„Ich muß noch was besorgen. Ich geh in die Markthalle."
Karl wandte sich zum Gehen. Herr Lehmann schnappte ihn am Armel.
„Bitte, Karl, jetzt gib doch mal den Schlussel."
„Hab ich nicht."
Herr Lehmann griff in Karls Anoraktaschen und fand ein riesiges Schluössel-bund.
Welcher ist es, Karl?" fragte er, aber Karl stand nur da und grinste.
Ist doch alles in Ordnung", sagte er.
Herr Lehmann seufzte und probierte ein paar Schlussel aus. Beim dritten klappte es. Er stieß die Tuör auf und zog Karl mit hinein in die dunkle Werkstatt, dann schloß er die Tur und knipste ein Licht an. Was er sah, war ein Schlachtfeld. Die vielen Kunstwerke, die hier vor kurzem noch gestanden hatten, waren zertrummert, und die Metallteile, aus denen sie zusammengeschweißt gewesen waren, lagen verstreut umher.
Was war denn hier los?"
„Dekonstruktion", sagte Karl. „Dekonstruktion." Er lachte fröhlich.
„Das ist dein ganzer Kram fur die Galerie, Karl."
„Dekonstruktion." Karl setzte sich auf den Fußboden und nahm ein Stuck Schrott in die Hand. So wie es aussah, war es der Zahnkranz eines Fahrrads. „Da kann man was draus machen."
Herr Lehmann war erschuöttert. Aber, dachte er und riß sich zusammen, dies ist nicht der Moment, sich Gedanken uber Kunst zu machen. Karl muß ins Bett, das ist das Wichtigste, dachte er. Der Aufgang zu Karls Wohnung, die uber dem Laden lag und genauso groß wie dieser war, bestand aus einem wackeligen Mittelding zwischen Treppe und Leiter, das hinten im Laden nach oben fuhrte. Eigentlich hatte die Wohnung einen Extra-Eingang ubers Treppenhaus, aber den benutzte Karl nie,
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