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Herr Merse bricht auf

Herr Merse bricht auf

Titel: Herr Merse bricht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Nohr
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amerikanische Austauschschüler sprach naiv von Neuschwanzig statt von Neuschwanstein, als König Ludwigs Wagnerverehrung durchgenommen wurde. Der Lehrer hatte das aufgegriffen und gesagt: » Ok, wir wollen die Kursfahrt nach Neuschwanzig machen, und den Schwan bringen wir mit…« Es wurde unter » Lehrersprüche« in der Schülerzeitung abgedruckt.
    Wahrscheinlich hatte Gesine Schwan als Frau mit all diesen Dingen nichts zu tun und konnte in » Lohengrin« oder im » Karneval der Tiere« den musikalischen Auftritt des Schwans genießen. Für Frauen war der Name einfach unproblematisch. Als Dagmar und er über ihre Heirat nachgedacht hatten, wollte sie sogar unbedingt seinen Namen annehmen, er hatte aber auf ihrem neutralen »Merse« beharrt. Es war ihr erster Streit gewesen. Sie hätte sich gern mit seinem Namen » verbessert«, wie sie sagte, da sie » Merse« wie eine Bestätigung eines farblosen Äußeren erlebte. Aber Herr Merse, damals Schwan, hatte sie überzeugt, dass dreimal a in »Dagmar Schwan« ein a zu viel sei. Zweimal a, zweimal e, damit stehe sie ausgeglichen in der Welt. Zwei dunkle, zwei helle Vokale. Wie Nacht und Tag. Er hatte eine seltene Beredsamkeit entwickelt, wie später kaum jemals wieder. Dagmar argumentierte, »Schwan« passe besser zu seinem Vornamen. Ingo. I o a. Es klinge abwechslungsreich. Bei ihr nicht. » Zweimal a und zweimal e, langweilig wie weißer Schnee«, reimte sie. Sie reimte gern. Aber Ingo blieb hart, und Dagmar gab schließlich nach. Es blieb unklar, ob sie einlenkte, weil er ihr von den Hänseleien erzählt oder sie mit seinem Klangargument überzeugt hatte.
    Durch den Federstrich des Standesbeamten– der ihn von Mann zu Mann halblaut fragte: » Wollen Sie das wirklich?«– verwandelte sich Ingo Schwan in Ingo Merse. Es war für ihn der Höhepunkt der Hochzeit gewesen. Er hüllte sich glücklich in den neuen Namen wie in das blaue Tuch einer Schutzmantelmadonna. Die Lästigkeit, bei Behörden, Banken und Versicherungen die Namensänderung amtlich zu machen, nahm er geduldig hin. Barbara hatte ihn entgeistert gefragt, ob er noch bei Trost sei, den eigenen Namen abzugeben. » Häär Määääse«, äffte sie und gab dem Vokal durch dehnende Übertreibung die helle, oberton- und seelenlose Flachheit, die der Hamburger Dialekt aus ihrem Mund annehmen konnte und die sie noch dadurch unterstrich, dass sie die r-Konsonanten nur andeutete. Als er versuchte, ihr seine Entscheidungsgründe darzulegen, hörte sie nur halb zu und begann einen Singsang: » Määääse, Määäse, hast ein’ anner Fäääääse…«
    Husum.
    Bei Husum gab es einen Krokuspark. Im März färbte es sich, intensiviert durch Traubenhyazinthen, leuchtend blaulila um dicke, kahle Buchenstämme. Herr Merse war letztes Frühjahr auf einer Tagung des Musiklehrerverbandes in Husum gewesen, man machte einen Ausflug in den Park. Die Farbe des Blumenteppichs hatte ihn an die weiten Tücher erinnert, die manche Gestalten seiner Kinderbibel faltenreich umhüllten. Petrus zum Beispiel. Wie Petrus blaugraulila gewandet auf dem grünen Meer einherschritt und mit einem Bein schon halb eingesunken war und wie er zu Jesus hin die Arme ausstreckte. Herr Merse war vorsichtig und freudig berauscht durch den Park wie durch einen Götterhain geschritten. Barbara schickte er eine Postkarte: » Blaue Grüße aus Husum. Dein Ingo.« Sie hatte die Karte in der Küche aufgehängt. » Gut, dass du jetzt endlich allein was unternimmst und auch mal wieder einen trinkst«, sagte sie, und beim Wiedersehen erkundigte sie sich nach dem Frauenanteil bei den Tagungsteilnehmern.
    Niebüll. Die letzte Station vor der Insel.
    Er wartete ungeduldig auf den Hindenburgdamm, der das Festland mit der Insel verband. War der Damm erreicht, begannen die Ferien. Als er sechsjährig erstmals über den Damm fuhr, war Ebbe gewesen. Er hatte nur den graubeigen Boden mit den Wasserrückständen gesehen und gestaunt: » Wieso ist hier Wasser in der Wüste?« » Das ist keine Wüste, sondern Watt.« » Wat?«, fragte er zurück. Er verstand nicht. » Wat denn dat denn?«, zog ihn Barbara auf. » Wat denn dat denn: Watt?«, hätte er fragen sollen. Dann wäre er auch mal witzig gewesen, nicht immer nur Barbara. Aber er stellte selten Fragen. Die Eltern hatten damals die Fenster aufgemacht: » Riechst du das Watt?« In seine traurige Ratlosigkeit hinein roch er erstmals das Wattenmeer. Bald darauf die offene See. Seither machte ihn der Geruch glücklich.
    Ob

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