Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)
lasse ich es allzeit bleiben, und Ihr könnt den da« – Wolfgang deutete mit dem ausgestreckten Arm auf den schlafenden Flügel – »wieder an die Arbeit lassen. Wär das wohl recht nach Eurem Gusto?«
Der Besitzer kam mit argwöhnisch zusammengekniffenen Augenbrauen auf ihn zu und tippte auf Wolfgangs Brust. »Auf dich haben wir gerade gewartet! Hast du eine Ahnung, wie viele von euch Jungs hier ständig angeschissen kommen?«
Ehe Wolfgang antworten konnte, drehte sich der Mohr vom Tresen zum Wirt und sprach auf ihn ein, woraufhin der Gastwirt seinen Blick so auf Wolfgang heftete, als sähe er ihn zum ersten Mal. Er hob die Schultern. »Also gut.« Mit einem Kopfnicken wies er auf den blauen Flügel. »Er meint, du hast was drauf. Dann lass mal was Ordentliches hören.«
Und Wolfgang spielte. Spielte, was ihm gerade in den Sinn kam, Altes, Neues und beides zusammen, verwob seine Gedanken zu immer kühneren Variationen, vergaß die Zeit, und nach und nach füllten sich die Plätze um ihn herum. Ihm war, als belebe sich das Lokal. Erst als er durstig aufstand und unter großem Applaus zum Tresen ging, gewahrte er, dass niemand mehr in den hinteren Teilen des
Blue Notes
saß, alles scharte sich um den blauen Flügel. Auch der Wirt saß mit fernem Blick unter ihnen, vor sich ein Buch, die aufgeschlagenen Seiten träumten auf der Tischplatte.
Wolfgang mühte sich auf einen der Barhocker, kam sich dabei vor wie ein kleines Kind, das einen Küchenstuhl zu erklimmen sucht, und wandte sich an den Bar-Mohren. »So kann er’s sich leicht einbilden, der Herr Wirt, dass, wenn er Gäste haben will, er einen guten Clavieristen brauchen möcht.« Mit dem Kopf deutete er auf den Gastwirt hinter sich. »So hab ich aufs wenigste das Meinige getan und wohl verdienet, dass er das Seinige tut und mir ein Bier auf meinen Durst spendieret?«
Der Schwarze nickte lachend. »Den Alten hast eh im Sack. Schätze, dafür gibt er dir die ganze Woche welches.« Er schob Wolfgang ein Glas zu und reichte ihm die Hand. »Czerny.«
Erfreut griff Wolfgang zu. »Moz…s-termann. Wolfgang Mustermann.«
»Schau mal, Wolfgang, da drüben, das ist übrigens der Adrian, der ist so was wie unser Hausmusiker.« Czerny winkte einen jungen Mann herbei.
Wolfgang erinnerte sich an ihn, unlängst hatte er ihn einen Contrabasso wie eine Gitarre bezupfen hören.
»Hat feste Tage und bringt immer andere Musiker mit. Mit dem solltest du dich mal unterhalten.«
Adrian kam näher, nickte Czerny zu, klatschte mit seiner in Wolfgangs Hand. »Irrsinnig gut, Mann! Ich bin Adrian. Willst jetzt öfter hier spielen, hab ich gehört.«
Wolfgang wagte ein Nicken, griff fester nach der Hand des Bassisten, und doch war ihm für einen Moment, als sei er in die falsche U-Bahn gestiegen. Ein Musikus in einem Nachtlokal, war das seine rechte Bestimmung? Sollte er nicht besser im Orchestergraben der Staatsoper stehen und den Musikern dort reihum die Hand schütteln?
Nun gut, alles mochte seinen Sinn haben, denn ebenso, wie er ohne seine gelegentlichen Verirrungen in den Katakomben unter der Stadt an viele Orte, die er in den vergangenen Wochen erkundet hatte, nicht gelangt wäre, gab es an diesem Ort vielleicht auch etwas zu entdecken. Und dort, wo Musik gemacht wurde, konnte wahrhaftig kein gar so schlechter Platz sein.
»Du kommst aber nicht aus dem Jazz, oder?«
»Ich, ähm …« Wolfgang sah Adrian hilflos an. Wieder stand er vor einem Häuflein von Wörtern wie vor einer fremden Sprache. »Aus Salzburg.« Unsicher betrachtete er sein Gegenüber.
Adrian nickte. »Ah, hast Klassik studiert, hatte ich mir schon gedacht, bei deiner Fingerfertigkeit.«
»So verfügen die Wiener von heute über keine solche mehr?«
Adrian lachte auf. »Du bist spaßig!« Er warf Wolfgang einen verschwörerischen Blick zu. »Aber mal im Ernst, von den Jazzern, die sonst hier am Piano sitzen, kann doch keiner mehr großartig was mit seiner linken Hand anfangen, oder? Andererseits hab ich noch mit keinem Klassiker gespielt, der mit uns zurechtkam. Wenn die keine Noten haben, wissen sie nie, was sie spielen sollen.« Er musterte Wolfgang. »Was machst du sonst so?«
»Oh, ich, ähm, nun ja, in der Früh, da steh ich auf, trink einen Kaffee, damit ich recht gut aufs Häusel gehen kann, so ist’s leichter komponieren und Semmeln essen, indem ich alsdann gleich eine Semmel ess und …«
»Alles klar, Junge, so genau wollt ich’s gar nicht wissen. Aber weißt du was? Am Freitag spielen
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